Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

08.08.2011   20:02   +Feedback

Er ist der Sumpf, sie sind die Blüten

107 achgut-Leser haben an unserem heiteren Zitateraten teilgenommen, genau 102 sind nicht in die Falle getappt, haben unsere Multiple Choice ignoriert und den Urheber des Kommentars “Die Lehren aus Oslo” selbst ermittelt: Dr. Gerhard Frey, Herausgeber und Chefredakteur der “National-Zeitung”; der ist natürlich kein Nazi und kein Antisemit, er verkörpert nur das, was nach ‘45 übrig blieb. Wolfgang Benz würde sagen: “Der Sumpf ist nicht unbedingt Schuld an den Blüten, die auf ihm gedeihen. Aber ohne den Sumpf gäbe es diese Blüten nicht.”

Liest man den Kommentar von Frey (Sie müssen runterscrollen zu der Ausgabe vom 29.7.), wird einem schnell klar, dass Frey der ideologische Stichwortgeber ist für Leute, die sich angewidert vor ihm abwenden, aber sein Gedankengut in pc-kompatibler Form verbreiten. Er ist der Sumpf, sie sind die Blüten. Wie z.B. der stellvertretende Chef des STERN, Hans-Ulrich Jörges, der Thilo Sarrazin einen “Muslim-Phobiker” nennt, ohne auf dessen Religionszu- oder Ungehörigkeit hinzuweisen, bei mir aber die Bezeichnung “jüdischer Publizist” dazusetzt, weil sich eben ein “jüdischer Publizist” von einem “arischen Publizisten”, wie Jörges einer ist, so unterscheidet wie das raffende vom schaffendem Kapital, ein kleiner Unterschied, auf den auch Gerhard Frey großen Wert legt. Und er stellt fest: “Breivik wie Broder erkennen muslimische ‘No-go-Areas’”, die es natürlich dort, wo die arische Edelfeder wohnt, nicht gibt. Jörges könnte auch “Breivik wie Buschkowsky” schreiben, aber dann wäre die subtile Pointe von dem “jüdischen Publizisten”, der Breivik inspiriert hat, dahin. Im übrigen sollte Jörges, statt mit dem Taxi zu “Borchardt” zu fahren, mal einen nächtlichen Spaziergang durch das Kopenhagener Viertel Noerrebro unternehmen, um sein Wissen über No-go-Areas upzudaten.

Dabei ist ihm das Milieu nicht unbekannt. Am 8. August 2008, also vor genau drei Jahren, schrieb Jörges über “Die vergrabene Bombe”, die in Deutschland tickt. Er meinte die über 15 Mio. “Migranten in Deutschland”, eine Zahl, die Jörges so aufschlüsselte:

“Anteil der Migrantenfamilien: 27 Prozent; Migrantenquote bei Kindern bis zwei Jahre: 34 Prozent; Migranten ohne Berufsabschluss: 44 Prozent; Migranten im Alter zwischen 22 und 24 Jahren ohne Berufsabschluss: 54 Prozent; türkische Migranten ohne Berufsabschluss: 72 Prozent; erwerbslose Migranten: 29 Prozent; einkommensschwache Migranten: 43,9 Prozent; Migranten in Armut: 28,2 Prozent; Migrantenkinder in Armut: 36,2 Prozent; türkische Migrantenkinder mit Misshandlungen und schweren Züchtigungen in den Familien: 44,5 Prozent; Berliner Migrantenkinder mit Förderbedarf in deutscher Sprache: 54,4 Prozent; Migrantenquote an der Eberhard-Klein- Schule, Berlin-Kreuzberg: 100 Prozent; Migrantenanteil bei Jugendlichen mit über zehn Straftaten in Berlin: 79 Prozent.” Es sei “extrem schwierig”, klagte er, “an Daten über Ausländerkriminalität zu kommen. Es gilt noch immer als politisch inkorrekt und gefährlich, solche Zahlen an die Öffentlichkeit zu geben. Sie werden beschwiegen und weggeschlossen, die übrigen Daten still in Reserve gehalten”. Klingt doch irgendwie schwer nach Sarrazin und Wilders, wenn nicht gar nach Breivik. Heute mag er sich an sein migrantenfeindliches Geschmiere nicht erinnern, denn der Zeitgeist hat sich so geändert wie Jörges seine Frisur, von Vokuhila zum Faconschnitt. Er ist eben nicht nur im Kopf ein Mitläufer.

Nun berichten heute die Zeitungen, Breivik habe “unter Drogeneinfluss” gehandelt, außer Anabolika soll er auch “illegale Drogen” genommen haben. Damit fällt der Schatten der Mitverantwortung wenn nicht gar der Mitschuld auf einen Journalisten, der wie kaum ein zweiter seit langem für die Legalisierung von Drogen eintritt. Hat Breivik möglicherweise die “Hanf-Fibel” von Mathias Bröckers gelesen? Oder wenigstens eine Rezension des Buches in einer norwegischen Zeitung? Möglich wäre es schon. Ein Anfangsverdacht ist zumindest gegeben. Und abwegiger als die Thesen, die Bröckers zu 9/11 verbreitet, wäre die Sache nicht.

Und jetzt sind Gerhard Frey und seine Brüder im Geiste wieder dran.

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