Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

26.05.2011   12:56   +Feedback

Nach dem Ausbruch ist vor dem Ausbruch

Angst ist der Deutschen liebstes Kind. Und es muss nicht ein GAU in einem japanischen AKW passieren, um apokalyptische Visionen heraufzubeschwören. Ein Vulkan, der plötzlich aus dem Schlaf erwachen könnte, tut es auch.

Gestern meldete SPIEGEL online, die Lage am Grimsvötn habe sich entspannt, aber: “Schon warnen Forscher vor einer weiteren Eruption in Island. Auf dem Vulkan Hekla haben sie eine 20 Kilometer breite Beule entdeckt. Magma sei unterirdisch aufgestiegen und drücke den Boden nach oben, berichtet eine Gruppe um Benedikt Ofeigsson von der Universität Island in Reykjavik im Fachmagazin Journal of Geophysical Research. Ein baldiger Ausbruch sei “sehr wahrscheinlich”, bestätigt der Vulkanologe Birger-Gottfried Lühr vom Geoforschungszentrum Potsdam. “Ich besuchte den Hekla vor drei Jahren, und bereits damals traute sich niemand mehr auf den Gipfel.”

Worauf wir uns sofort wieder auf den Weg in den Osten machen wollten, dem Hekla entgegen. “Geht lieber ins Cafe Paris”, sagte Halldor, als wir uns verabschieden wollten, “da ist mehr los”. Der Hekle stehe “immer kurz vor dem Ausbruch”, das habe de Vulkan mit der Großen Revolution gemeinsam.

Inzwischen hatte T-Online die Geschichte übernommen und sie mit einer extrem originellen Überschrift aufgepäppelt: “Nach dem Vulkanausbruch ist vor dem Vulkanausbruch”. Der Vulkanologe Birger-Gottfried Lühr vom Geoforschungsinstitut Potsdam halte einen baldigen Ausbruch des Hekla für “sehr wahrscheinlich”. Er “sei vor drei Jahren noch selbst am Hekla gewesen, und schon damals habe sich “niemand mehr auf den Gipfel gewagt”, außer Birger-Gottfried Lühr vom Geoforschungsinstitut Potsdam.

Die zweite Quelle, auf die sich sowohl SPON wie T-Online bezogen, war dagegen etwas zurückhaltender: “Eine Eruption des Hekla könne morgen kommen oder in ein paar Monaten oder in einigen Jahren, sagte der Geophysiker Gunnar Gudmundsson vom Meteorologischen Institut in Reykjavik.”

Und was ist mit dem Bericht der “Gruppe um Benedikt Ofeigsson von der Universität Island in Reykjavik”, der soeben im Fachmagazin Journal of Geophysical Research erschienen ist? Ja, den gibt es wirklich. Man kann ihn hier einsehen. Und wenn man ganz ans Ende scrollt, findet man diesen Eintrag: “Received 29 March 2010; accepted 14 February 2011; published 5 May 2011.”

Das heisst, der Bericht lag, wie bei wissenschaftlichen Magazinen üblich, über ein Jahr auf dem Tisch der Redaktion, bis er veröffentlicht wurde. Und er wäre niemand aufgefallen, wenn nicht zeitnah mit dem Erscheinen des Magazins der Grimsvötn ausgebrochen wäre. Und jetzt ist der Hekla an der Reihe. Er kann schon morgen ausbrechen oder in einem Monat oder in einem Jahr. Wer es genauer wissen möchte, sollte in Potsdam, der Haupstadt der Wahrsagerei, nachfragen. Sollte Birger-Gottfried Lühr gerade zu einem Vulkan unterwegs sein, den außer ihm zu besteigen sich niemand traut, wird Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung gerne einspringen.

 

 

 

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