Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

27.10.2011   03:38   +Feedback

Made in America 3

Es ist ja kein Geheimnis, dass ich ein Amerika-Fan bin. Ich bin für ein Rauchverbot in Cafes und Restaurants, für ein Tempolimit auf der Autobahn und für das Mehrheitswahlrecht nach dem Prinzip: The winner takes all. Ich kaufe gerne bei Walmart ein und mag die oberflächliche Freundlichkeit der Amis, die einen mit “How are you today?” begrüßen, obwohl sie gar nicht wissen wollen, wie es einem geht. Aber natürlich finde ich nicht alles gut, das in Amerika gemacht wird oder aus Amerika kommt. Cheeseburger ist ekelhaft, Chicken Primavera auch, wie überhaupt alle Gerichte, die mit Käse versaut werden. General Tso’s Chicken mit Brokkoli zu servieren, ist ein Verbrechen.

Inzwischen ist auch der Öko-Wahn in den USA angekommen. Alles, das bei “Whole Foods” verkauft wird, ist “natural and organic”, der Fisch in der Tiefkühltruhe wurde “sustainable” (nachhaltig) aufgezogen, der Eiersalat aus den Eiern von “cage free chicken” hergestellt, weswegen er doppelt so teuer ist wie der gleiche Eiersalat bei “Giant Eagle”. An den High-Way-Raststätten gibt es Parkplätze für Hybrid-Autos und auf den Toiletten hat man die Papierhandtücher durch Heissluftgebläse ersetzt, weil die angeblich umweltverträglicher sind.

Auch das Allegheny-College ist grün. Der Parkplatz, auf dem ich meinen Jeep abstelle, ist nicht asphaltiert, sondern mit Kieselsteinen ausgelegt, damit die Erde “atmen” kann. In der Cafeteria wird der Müll getrennt: waste (Abfall), compost und recyclables. Das ist auch dringend nötig, denn um Personal in der Küche zu sparen, wird das Essen in Plastik- bzw. Styropor-Behältern serviert, die man angeblich essen oder recyceln kann. Bei 2.100 Studenten fallen jeden Tag einige Tausend Ess-Container an. Und jede Menge Gabel, Messer und Löffel aus Plastik.

In meiner Wohnung habe ich eine Heizung und eine Klimaanlage. Bis vor zwei Wochen konnte ich an einem Thermostat die gewünschte Raumtemperatur einstellen. Dementsprechend schaltete sich die Klimaanlage ein bzw. aus. Dann aber muss ein Kieselstein vom Parkplatz eine falsche Bewegung gemacht haben. Seitdem laufen die Heizung und die Klimaanlage gleichzeitig. Aus der einen kommt warme Luft, aus der anderen kalte. Ich rief in der Verwaltung an, zehn Minuten später stand ein Plumber (Klempner) vor meiner Tür, schaute sich den Thermostat an und sagte: Alles in Ordnung! Seitdem war die “maintenance” noch zweimal hier. Die Heizung und die Klimaanlage laufen immer noch gleichzeitig. Wenn ich am Tisch sitze, schwitze ich, wenn ich auf dem Sofa liege, friere ich. Und alles, was die Verwaltung dazu sagt, ist: “It’s a green building.”

Was mich freilich tröstet, ist die Menge an Energie, die ich verbrauche. Ich allein, in einem one-bedroom-apartment. Da können die in der Cafeteria ein Jahr alles recyceln, bis sie die Öko-Bilanz wieder ausgeglichen haben.

 

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