Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

19.10.2011   16:55   +Feedback

Edelpupser des Zeitgeistes

Zu dem Beitrag “Aufstand der Unschuldigen, die Verbrechen begehen” macht uns ein achgut-Leser auf Folgendes aufmerksam:

Auf der Homepage des “Freitag”, der von Jakob Augstein verlegt wird, stellt der SPIEGEL-online-Kolumnist (“Im Zweifel links”) Jakob Augstein klar, der Satz “Gewalt ist keine Lösung” stamme nicht von ihm, er sei ihm von der Redaktion in den Text reingeschrieben worden. “Der Satz “Gewalt ist keine Lösung” stand in meinem Artikel nicht drin. Den haben die Kollegen in Hamburg reingeschrieben. Ich will damit nicht sagen, dass ich Gewalt für eine Lösung halte. Aber ich hätte von mir aus nie geschrieben, dass sie keine Lösung ist. Das ist ein großer Unterschied.”

Augstein sagt also nicht, er halte Gewalt für eine Lösung, er sagt aber auch nicht, er halte Gewalt für keine Lösung. Der “große Unterschied” besteht im wesentlichen darin, dass es darauf ankommt, von wem die Gewalt ausgeht und wen sie erwischt. Handelt es sich bei den Tätern um Menschen mit dem richtigen Bewusstsein, die gegen Ausbeutung, Kapitalismus, Elend in der Dritten Welt und Fast Food antreten, dann heiligt der Zweck die Mittel. Dann dürfen auch Brandsätze an Bahngleisen hinterlegt werden, denn diejenigen, die so etwas tun, protestieren nur gegen “den alltäglichen Leistungsdruck, der Menschen kaputt und krank macht”, wie es Genossin Jelpke von der ReformSED so schön sagt.

Man kann davon ausgehen, dass sowohl Augstein wie Jelpke anders reagieren würden, wenn es sie selber erwischen würde, sagen wir beim Austernschlürfen auf Antigua oder Ponyficken in der Provence.

Und auch Claus Peymann würde sich energisch zur Wehr setzen, wenn einer der Gerechtigkeitsfanatiker, die morden mussten, “weil sie glaubten, mit ihren Morden etwas gegen die Ermordung von hunderttausenden von Kindern und Frauen in Vietnam tun zu können, weil sie glaubten, etwas gegen das Elend in der Dritten Welt tun zu müssen”, eines Tages mit vorgehaltener Waffe vor Peymanns Büro stehen und einen gerechten Anteil an Peymanns Gehalt, das im sechsstelligen Euro-Bereich liegt, verlangen würde.

Augstein, Jelpke, Peymann - das sind nicht nur die Edelpupser des Zeigeistes, es sind die Vorbeter des “linken Faschismus”, den Jürgen Habermas bereits 1967 als Charakteristikum der “antiautoritären” Außerparlamentarischen Opposition erkannt hat. Die würden, wäre da nicht die Gnade der späten Geburt, auch an der Rampe stehen und ihren Dienst tun, ohne sich die Finger schmutzig zu machen, denn die Drecksarbeit erledigen ja die anderen. Die Kälte, mit der sie Morde und versuchte Morde rechtfertigen, weist sie als die Erben der Firma Heydrich, Himmler & Hinkel aus. Und abends trifft man sich auf einen Cotes du Rhone und diskutiert über Kultur im Kapitalismus.

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