Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

10.10.2011   20:52   +Feedback

Was ist bloß in mich gefahren?

Einem Antisemiten klarzumachen, dass er ein Antisemit ist, ist eine Aufgabe, an der man nur scheitern kann. Eher schreibt der Papst ein Vorwort für eine lateinische Ausgabe der “Josephine Mutzenbacher”, eher tritt die Hamas korporativ der Heilsarmee bei, eher lassen sich Kannibalen von der Vorzügen der vegetarischen Lebensweise überzeugen, als dass ein Antisemit einsieht, dass er einer ist. Denn ein Antisemit mag ja Juden, so wie Pädophile Kinder und Vergewaltiger Frauen mögen.

Vor allem braucht der Antisemit Juden, die ihm bezeugen, dass er keiner ist. Deswegen der unvermeidliche Rekurs auf seine “jüdischen Freunde”. Und so haben sich in den letzten Jahren immer mehr Juden darauf verlegt, Antisemiten Atteste auszustellen, dass sie ehrbare und ehrenwerte Menschen sind und es mit den Juden gut meinen. So haben beide was davon: der Antisemit und sein jüdischer Freund, der sonst unbeachtet im hinteren Kandertal, in Sötenich in der Eifel oder in Sprendligen versauern würde.

Nun muss das Personal aber von Zeit zu Zeit aber erneuert werden. Und so kam der Vorsitzende der Liberalen Gesellschaft in Bremen auf die Idee, ausgerechnet mich zu einem Vortrag nach Bremen einzuladen, weil er ein Problem hat, das ihm unter den Fingernägeln brennt. Und so schrieb er schon einmal eine Einladung zu meinem Auftritt:

“„Juden darf man in Deutschland nicht kritisieren. Totschlagargument: Shoa. Neoliberalismus ist verbrannt, obwohl er eine weltweit erfolgreiche Fortentwicklung des Manchesterkapitalismus mit freien Märkten und starkem Staat ist. Wer es wagt, nachgewiesene Mißbräuche bei Hartz-4-Empfängern und eine irreleitende Sozialpolitik mit spätrömischer Dekadenz zu vergleichen, wird gnadenlos angeprangert, fast geteert und gefedert. Und wenn Abgeordnete wegen der sichtbaren Risiken gegen den Euro-Rettungsschirm stimmen, werden sie öffentlich beleidigt und mit dem politischen Tod bedroht…”

Worauf ich ihm Folgendes mitteilte:

“ich finde es recht irre, dass sie mit den juden anfangen. offenbar hängt die deutsche freiheit davon ab, “juden” kritisieren zu dürfen. wer hat ihnen verboten, was kritisches über die juden zu sagen? dass sie matzen aus kinderblut nacken? die finanzen der welt manipulieren? oder den holocaust erfunden haben, um den deutschen ein schlechtes gewissen einzujagen? von den ewig beleidigten moslems dagegen kein wort in der ankündigung. schon mal was von kurt westergaard gehört? ich fürchte, sie müssen sich einen anderen festredner suchen.”

Ich fand das eine extrem freundliche und höfliche Antwort auf eine kretinische Zumutung. Der Vorsitzende der Liberalen Gesellschaft Bremen gab aber nicht auf reagierte mit diesen Sätzen:

“Danke, Herr Broder, für die rasche und explosive Antwort! Ich glaube nicht, daß ich mir einen anderen Redner suchen muß, und möchte das auch unter keinen Umständen. Ich habe mich lediglich an Ihre oft demonstrierte Souveränität angelehnt, mit der Sie Juden als an sich unzulässiges Synonym für den Staat Israel streitlustig angenommen haben. Dabei habe ich seit der Gründung des Bremen-Haifa-Fonds, an der ich in meiner politisch aktiven Zeit mitgewirkt habe, mehr Freunde unter Juden in Israel als unter Moslems. Ich selbst habe also keinerlei Vorbehalte, lobe und kritisiere, wen und wann ich möchte, natürlich auch die wahnsinnigen Attacken wegen der M-Karikaturen. Die von Ihnen ironisch aufgeführten Vorurteile mache ich mir nicht zu eigen.

Ich habe aber keinerlei Problem damit, den Einstieg fallen zu lassen, und habe ohnehin nur zufällige oder aktuelle Beispiele für politisch unkorrektes Verhalten zur Erläuterung herausgegriffen.  Ich suche mir ein anderes Exempel – etwa aus dem Bereich Necla Kelek/ Sarrazin. Vielleicht fällt Ihnen ein besser Passendes ein. Dann teilen Sie´s mir bitte mit – aber bleiben Sie bitte bei der Stange und bestätigen mir das rasch. Hier ist schon ein bedeutender Erwartungshorizont entstanden. Wir freuen uns alle auf Sie!”

Ich hatte keine Lust, darauf zu reagieren. Soll sein, dachte ich. Sollen die doch den Abi, den Rafi oder die Felicja einladen. Der Vorsitzende der Liberalen Gesellschaft Bremen fühkte sich aber “unfair angegangen” und stellte die Frage, was denn in mich gefahren wäre:

“Was ist bloß in ihn gefahren? Mit seiner abwegigen Polemik bestätigt er geradezu das „politisch korrekte“ Verbot der Kritik an den Nachkommen einer Glaubensgemeinschaft, die vor mehr als zwei Generationen im nationalsozialistisch beherrschten Deutschland brutal verfolgt worden ist, woran wir Nachgeborenen zwar keine Schuld tragen, für die wir aber eine bleibende Mitverantwortung empfinden. Broder gehört doch sonst nicht zu den Schützen von Eigentoren, sondern gefällt sich im Fernsehen nach eigener Charakterisierung ausdrücklich als Atheist, aber kultureller Jude und bekannter „Nestbeschmutzer“. Jedenfalls war es nicht korrekt, sondern unredlich, mir nach meinem jahrelangem Engagement im Bremen-Haifa-Fonds mit vielen unterstützenden Israelbesuchen blindlings bösartige Vorurteile zu unterstellen und sie wider besseres Wissen im Internet öffentlich zu machen, als der Entwurf des Einladungstextes sich noch mitten in der Abstimmung zwischen der Liberalen Gesellschaft und ihm befand und sie schon ein anderes Beispiel für Sprechverbote in Deutschland angeboten hatte. Das gehört sich auch für einen geschätzten scharfzüngigen Dampfplauderer nicht.
Fiel ihm just nichts anderes ein, worüber er sich aufregen konnte? Seine Schlußfrage zeigt: Er wollte die Liberalen unfair angehen, wie es gerade populär ist. Ein billiges Foul, Herr Broder. Gelb-rote Karte!
Anmerkung: Das Thema wird mit oder ohne Herrn Broder trotzdem behandelt werden. Alle Interessenten sind wie immer herzlich zur kritischen Diskussion eingeladen…”

Es geht wirklich nichts über ein unheilbar gesundes Gewissen.

 

 

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