Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

28.09.2011   21:48   +Feedback

Obama und die Deutschen

Nicht nur in den USA, auch in der Bundesrepublik nimmt die Zustimmung für Präsident Obama und seine Politik langsam aber sicher ab. Zu Beginn seiner Amtszeit noch als die Verkörperung des besseren Amerika gefeiert und bejubelt, nehmen ihm die Deutschen inzwischen einiges übel. Dass er sein Versprechen gebrochen und Guantanamo nicht geschlossen hat, nachdem Deutschland immerhin zwei (!) Gefangene aufgenommen hatte. Ferner, dass es er es nicht geschafft hat, den Nahostkonflikt zu lösen. So konnte man im “Wochenspiegel” der ARD letzten Sonntag folgendes über die Rede des US-Präsidenten vor der Vollversammlung der UN hören: „Obama hatte sich in seiner Rede eindeutig auf die Seite Israels geschlagen, denn für seine Wiederwahl als Präsident im November 2012 braucht Obama die Stimmen der amerikanischen Juden.“

Das hatte Obama zwar nicht gemacht, seine Rede war ausgewogen und richtete sich gleichermaßen an beide Konfliktparteien, aber die Pointe mit den amerikanischen Juden, deren Stimmen der US-Präsident für seine Wiederwahl braucht, war zu schön, als dass der ARD-Korrespondent darauf verzichtet hätte. Die Behauptung, der amerikanische Präsident würde nach der Pfeife der Juden tanzen, ist weder neu noch originell, sie ist die Schnittstelle, an der sich der Antiamerikanismus und der Antisemitismus die Hände reichen. Neu ist nur, dass es heute aus der ARD so tönt wie es früher aus rechtsradikalen Quellen sprudelte.

Die dazugehörige Karikatur gab es einen Tag später in einer bürgerlichen Tageszeitung zu sehen: Israels Ministerpräsident Netanjahi steht hinter Präsident Obama und drückt ihm mit der rechten Hand wie mit einem Revolver in den Rücken. Obama reisst beide Arme in die Höhe und legt ein Veto gegen den palästinensischen Antrag auf Aufnahme in die UN ein.

Obama hat seine Chance gehabt. Er hätte Guantanamo schließen und Israel fallen lassen sollen. Er hat beides nicht getan. Auf die Stimmen der Deutschen kann er nicht mehr rechnen. Bleiben nur noch die amerikanischen Juden.

© Die Weltwoche, 29.9.11

 

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