Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

05.01.2012   22:42   +Feedback

FDP hat fertig!

Das Ableben einer alten Dame ist kein Grund zur Freude. Es sei denn, es handelt sich um eine reiche Tante oder eine Despotin, die ihre Familie tyrannisiert hat. Beides ist bei der FDP nicht der Fall, und wirklich alt ist sie auch nicht. Dennoch wird es bei vielen ein Aufatmen geben, wenn sich die „freien Demokraten“ aus der Geschichte verabschiedet haben. Es kann nicht lange dauern. Sie liegen derzeit in den Meinungsumfragen bei 2%, und die Wahrscheinlichkeit, dass sie vom Totenbett aufstehen und bei den nächsten Bundestagswahlen über die 5%-Hürde kommen, ist so groß wie Chancen eines Suppenhuhns noch fliegen zu lernen.

Die FDP hat fertig, und die FDP-Leute wissen es. Westerwelle, Rössler, Brüderle und ihre Parteifreunde wirken wie Zombies, die sich vor dem Sonnen-aufgang fürchten. Die Einzige aus der ersten Reihe, die noch etwas Leben verströmt, ist die Berliner Europa-Abgeordnete Sylvana Koch-Mehrin, die sich gegen die Aberkennung ihres Doktortitels mit allen Mitteln wehrt. Aber das ist nur ein letztes Aufflackern, bevor die Kerze erlischt.

Dabei könnte die FDP eine wichtige Rolle spielen. Im Bundestag sitzen nur Sozialdemokraten:  christliche, sozialdemokratische, linke und grüne. Die Programme der vier sozialdemokratischen Parteien unterscheiden sich nur in Nuancen. Die CSU z.B. ist grüner als die Grünen, sozialer als die SPD und trinkfester als die Linke. Eine Ausnahme bildete nur die FDP, so lange sie so etwas wie ein bürgerlich-liberales Programm hatte.

Heute hat sie nur einen Außenminister-Darsteller, der von einer Peinlichkeit zur nächsten stolpert,  und einen Vorsitzender, der seinen Job dem Umstand verdankt, dass sich außer ihm niemand opfern wollte. Die FDP strahlt eine Unlust aus, die man noch mit dem Rücken zum Fernsehapparat spüren kann.

Aber bis zu den nächsten Wahlen kann noch vieles passieren: Angela Merkel wird als KGB-Agentin enttarnt, Sigmar Gabriel tritt zu den Weight Watchers über und die grünen Politruks bieten sich dem neuen koreanischen Führer als Berater in Umweltfragen an. Dann, aber nur dann, hätte die FDP noch eine Chance.

Die Weltwoche, 5.1.12

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