Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

12.12.2011   01:40   +Feedback

Reizfigur im Visier

Zwei Mitarbeiter der “Mitteldeutschen Zeitung”, früher „Freiheit – Organ der Bezirksleitung Halle der SED“, sind nach Frankfurt/M. gereist, um sich nach dem missglückten Briefbombenattentat auf Josef Ackermann im Bankenviertel umzusehen. In einer “Edel-Metzgerei” auf der Freßgass trafen sie einige Banker, “die in der Innenstadt ihre Mittagspause verbringen” und bei dieser Gelegenheit “über die Hintergründe des versuchten Anschlags auf Josef Ackermann” spekulieren. “War es die Tat eines Irren? Oder wollte jemand ein brutales Zeichen gegen den Kapitalismus an sich setzen?”

In dem Text steht das Zitat nicht in Anführungszeichen, es wird den Bankern in den Mund gelegt. Eine interessante Frage. War es die Tat eines Irren? Oder wollte jemand ein brutales Zeichen gegen den Kapitalismus an sich setzen? Jemandem eine Briefbombe zu schicken, ist nicht irre, es ist ein Zeichen gegen den Kapitalismus an sich. Und mit Ackermann wäre eine “Reizfigur im Visier”, die es nicht anders verdient hat, denn: “Dass nun ausgerechnet Ackermann Ziel eines Anschlags wurde, verwundert kaum… Tatsächlich polarisiert kein Banker in Deutschland so sehr. Sein breites Lachen kann charmant wirken. Auf Fotos gebannt kann ihm dieses Lächeln aber auch als extreme Arroganz ausgelegt werden…”

Und Arroganz gehört abgestraft. Auch nach den Anschlägen auf die New Yorker Twin Towers war öfter von der “Arroganz der Macht” die Rede, die von den Türmen verkörpert wurde. Diese “Arroganz der Macht” fanden die Jungs um Mohammed Atta dermaßen unerträglich, dass sie eines Tages beschlossen, etwas dagegen zu unternehmen. Waren es nun Irre wollten sie nur ein Zeichen gegen den Kapitalismus an sich setzen?

Egal. Worauf es ankommt, ist dies: Auf keinen Fall dürfe die Tat aber dazu führen, “dass Menschen diskreditiert werden, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen”, warnt ein Professor für Philosophie an der Frankfurt School of Finance and Management, einem bedeutenden Zentrum der Geisteswissenschaft. Ja, das wäre wirklich das Schlimmste, wenn der Anschlag dazu führen würde, dass Menschen diskriminiert werden, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen. Sie wollen doch nur Zeichen gegen den Kapitalismus an sich setzen.

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