Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

05.07.2012   19:52   +Feedback

Demokratiepauschale für Demonstranten

Der deutsche Wohlfahrtstaat hat eine Spezies produziert, deren Angehörige sich einerseits brav, geduldig und gehorsam in jede Warteschlange stellen, wo es etwas umsonst gibt, andererseits aber empört aufschreien, wenn ihnen etwas verweigert wird, worauf sie einen Anspruch zu haben glauben. Das schönste Beispiel für diese Art von staatlich sanktioniertem Schmarotzertum mit porentief reinem Gewissen ist der politische Geschäftsführer der Piratenpartei, Johannes Ponander, dem die FAZ vor kurzem die Gelegenheit gegeben hat, sich über das Unrecht zu verbreiten, das ihm vom Arbeitsamt angetan wird, wo man offenbar der völlig absurden Meinung ist, ein 35 Jahre alter Mann im Vollbesitz seiner (körperlichen) Kräfte sollte in der Lage sein, für seinenLebensunterhalt zu sorgen, statt “ehrenamtliche Arbeit” zu leisten, die nicht bezahlt wird.

Dazu gehört auch eine Politikerin, die das von ihr seit ihrem 24. Lebensjahr propagierte “bedingungslose Grundeinkommen” zu einer “Demokratiepauschale” erklärt, die gewährleisten soll, dass die Menschen “sich einbringen” können und in die Lage versetzt werden, eine Tageszeitung zu lesen und an Demonstrationen teilzunehmen, was sie offenbar bis jetzt, mangels Grundeinkommen, nicht machen konnten. Das sind alles Exzesse einer Gesellschaft, die das Leistungsprinzip zugunsten einer “sozialen Gerechtigkeit” aufgegeben hat, von der vor allem jene profitieren, die noch nie darüber nachgedacht haben, dass irgendjemand die Leistungen, die sie erhalten und verbrauchen, erst einmal erarbeiten muss.

Mit Hilfe des Internets bekommen wir auch täglich Einblicke in die Gedankenwelt von Mitbürgern, die auf ein positives Beispiel von Arbeitsmoral und Eigenverantwortung wie Allergiker reagieren, wenn gerade ein Schwarm Ambrosia-Pollen vorbei fliegt. Na ja, wenigstens bringen sie sich ein, während sie anderen im Schweiße ihres Angesichts bei der Arbeit zusehen.

Siehe auch:
In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ beschreibt der politische Geschäftsführer seinen Ärger mit der Behörde. Die Konsequenz: Er kündigt sein Abhängigkeitsverhältnis mit dem deutschen Staat. In Kürze will er genug Geld haben, um unabhängig leben zu können. So lange wollen Freunde einspringen – bloß nicht mehr das Amt. http://www.bild.de/politik/inland/johannes-ponader/piratenpartei-johannes-ponader-kampf-gegen-arbeitsagentur-25010244.bild.html

Wenn in Deutschland jeder so denke wie Ponader, würde das “unser Sozialsystem in den Ruin treiben”. Sozialleistungen seien für Bedürftige gedacht - “nicht für junge Lebenskünstler mit 1,0-Abitur und Studium, die sich auf Kosten der Steuerzahler, also auch dem Kleinverdiener, selbst verwirklichen wollen”. http://www.sueddeutsche.de/politik/vorstoss-von-johannes-ponader-piraten-partei-der-hartz-iv-opfer-1.1404374

Ob es überhaupt legitim ist, dass ein Einser-Abiturient mit Studium Staatsgelder für seine Selbstverwirklichung vereinnahmt - darüber wird in den Medien laut und mit guten Gründen gestritten. Aber es gibt zwei Akteure, die an dem Streit kein Interesse haben: die Arbeitsagentur und die Piratenpartei. http://www.stern.de/politik/deutschland/hartz-iv-debatte-um-pirat-ponader-arbeitsagentur-hisst-die-weisse-fahne-1853036.html#utm_source=standard&utm_medium=rss-feed&utm_campaign=alle

 

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