Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

15.06.2012   11:35   +Feedback

Nicht nur sauber, auch porentief rein!

Wissen Sie noch, was ein “Persilschein” ist? Vermutlich sind Sie zu jung, um es wissen. Also schauen Sie einfach bei Wikipedia nach:

Der Begriff Persilschein erfuhr insbesondere während der Entnazifizierungsphase einen Bedeutungswandel. Mutmaßliche nationalsozialistische Straftäter konnten durch Aussagen von Opfern oder ehemaligen Gegnern entlastet werden und erhielten somit einen positiven bzw. guten Leumund und genügten auf dem Meldebogen der Alliierten den Anforderungen des Entnazifizierungsgesetzes. Umgangssprachlich kann man sagen, dass die betroffene Person vom Vorwurf einer nationalsozialistischen Gesinnung „reingewaschen” wurde (wobei hier Reinheit für Unschuld steht). Ihr wurde eine „weiße Weste” attestiert und sie durfte nun wieder eine Wohnung beantragen oder ein Geschäft eröffnen. http://de.wikipedia.org/wiki/Persilschein

Nun haben ausgerechnet der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Erfurt - DIG, Martin Borowsky, und der stellvertretende Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Reinhard Schramm, eine “gemeinsame Erklärung” zugunsten des Jenaer OB Martin Schröter abgegeben und ihm persilscheinmäßig bescheingt, kein Antisemit zu sein. Das ist er in der Tat nicht, weil er viel zu jung ist, um jemals in der NSDAP, der Waffen-SS oder irgendeinem anderen sozialen Netzwerk im 3. Reich mitgemacht haben. Er ist nur ein depperter Sozialdemokrat, der einen Beitrag zur Lösung der Palästinafrage leisten möchte, obwohl er es bis jetzt nicht einmal geschafft hat, die Neonazi-Frage vor seiner eigenen Haustür zu lösen. Warum in der Nähe bleiben, wenn das Gute in die Ferne lockt.

Diese “gemeinsame Erklärung” wurde von Bodo Ramelow, Fraktionsvorsitzender der SED/PDS/Linkspartei im Thüringer Landtag eingefädelt. Auch Ramelow ist kein Antisemit, er hat sogar “Freunde” in Israel, auf die er sich gerne beruft, er ist nicht einmal ein Ossi, aber er hat die Ossi-Nummer voll drauf. Es habe, schreibt er in der Erklärung, “ein offenes und konstruktives Gespräch” zwischen den Beteiligten stattgefunden; ja, auch diese Formulierung hat, wie der Persilschein, eine lange Tradition. Wann immer die Chefs der SU mit ihren Satrapen aus den Ostblock-Ländern zusammen kamen, um ihnen zu erklären, was der letzte Parteitag der KPdSU beschlossen hatte, fanden die Gespräche in einer “offenen und konstruktiven” Atmosphäre statt. Und am Ende wurde immer vereinbart, “den Gedankenaustausch” fortzusetzen.

Deshalb wurden auch bei dem Gipfetreffen von Jena die Gemeinsamkeiten beront: Gemeinsam sind die Gesprächspartner davon überzeugt, dass nur die Einhaltung von Völker- und Menschenrechten den von allen ersehnten Frieden im Nahen Osten sichern wird. Deshalb stehen Gewalt – wie der Beschuss israelischer Siedlungen – als auch der Verstoß gegen internationales Recht - wie die Errichtung illegaler Siedlungen - dem Frieden und einer Zwei-Staaten-Lösung entgegen. „Nur der Verzicht auf Gewalt und die wechselweise Anerkennung des Existenzrechtes eines jüdischen und eines palästinensischen Staates können Grundlage eines gerechten Friedens sein“, betonte Martin Borowsky. „Das Glück des einen Volkes hängt vom Glück des anderen ab. Es kann den Palästinensern nicht gut gehen, wenn es Israel nicht gut geht, und es kann Israel nicht gut gehen, wenn es den Palästinensern nicht gut geht“, fügte Albrecht Schröter hinzu.

Bis jetzt wurde nach dem Glück entweder bei der Ziehung der Lottozahlen, auf der Zugspitze oder zwischen den Beinen einer Frau gesucht (“Ein kleines Glück wird einmal groß, wenn du nur warten kannst, dann fällt es auch in deinen Schoß”), jetzt kommt auch der Nahe Osten endlich an die Reihe. Sehr schön in der von Bodo Ramelow eingefädelten “gemeinsamen Erklärung” ist auch die Passage, in der sich die DIG von den Angriffen auf den OB “distanziert”:
“Die DIG distanziere sich davon in aller Form und sei der Auffassung, dass die Gemeinsamkeiten zwischen ihr und Albrecht Schröter stärker als bisher in den Vordergrund gestellt werden sollten.”

Auch das ist nicht neu. Schon immer hat es zwischen Juden bzw. Judenfreunden und Antisemiten “Gemeinsamkeiten” gegeben, z.B. die Liebe zu Richard Wagner, deutschem Vollkornbrot und Blasmusik. Bleibt nur noch ein Problem: Jena sucht eine Partnerstadt in Israel, um sich von dem Ruf, eine Hochburg der Neonazi-Szene zu sein, zu rehabilitieren. Falls daraus nix wird, weil sich der schlechte Ruf der Stadt sogar bis nach Israel rumgesprochen hat, empfehlen wir eine diesbezügliche Anfrage in Aachen. Dort hat man das gleiche Problem und eine sehr kooperationsbereite grüne Bürgermeisterin.

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