Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

10.10.2012   23:19   +Feedback

Gestapo light

Wenn es etwas gibt, worauf die Deutschen ganz besonders stolz sind, dann ist es die Tatsache, dass sie aus ihrer Geschichte gelernt haben. In der Tat bieten zwei Weltkriege und ein Holocaust ein riesiges Reservoir an Erfahrungen, aus denen man einiges lernen sollte. Zum Beispiel, dass es für das eigene Ansehen nicht gut ist, wenn man versucht, andere Völker zu unterjochen oder auszurotten. Und dass man besser keinen Krieg anfängt, den man nicht gewinnen kann.

Statt Kriege zu führen, versorgt Deutschland andere Nationen mit Waffen; zugleich ist die deutsche Friedensbewegung die aktivste und radikalste ihrer Art in Europa.

Ganz besonders sensibel sind die Deutschen, wenn es um bürgerliche Freiheiten geht, z.B. das Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“. In jedem Postamt wird man um „Diskretion“ gebeten, das heißt, man soll dem Vordermann oder der Vorderfrau nicht über die Schulter gucken, wenn er oder sie einen Brief aufgibt.

Umso erstaunlicher ist, dass sich die Deutschen mit der Existenz einer Institution abgefunden haben, die man nur als eine Art „Gestapo light“ bezeichnet kann. Es ist der verlängerte Arm der ARD und des ZDF, die so genannte GEZ (Gebühreneinzugszentrale), deren Mitarbeiter unter Anwendung extrem fragwürdiger Methoden nach „Schwarzsehern“ fahnden, Bürgern, die ihre Radio- und TV-Apparate nicht angemeldet haben.

Nun tritt Anfang des kommenden Jahres eine neue Regelung in Kraft. Es wird nicht mehr pro Gerät sondern pro Haushalt bezahlt, rund 18.- Euro monatlich, unabhängig davon, ob und wie viele gebührenpflichtige Geräte in einem Haushalt genutzt werden.

Auf den ersten Blick eine Vereinfachung, die dazu führen sollte, die GEZ entbehrlich zu machen und 163 Millionen Euro Verwaltungskosten einzusparen. Aber das wäre zu einfach. Tatsächlich baut die GEZ ihren Apparat aus und perfektioniert ihre Schnüffelpraktiken.

Die „Welt“ spricht von einer „kafkaesken, unerreichbaren“ Behörde, die sich auf einem von Video-Kameras überwachten Gelände „hinter Stacheldrahtzäunen und hohen Eisengittern“ verschanzt. Die Gebühreneintreiber würden sogar Grundschulkinder anschreiben und „von toten Dackeln die Nachzahlung von TV-Gebühren“ verlangen.

Das zumindest hätte es unter Adolf nicht gegeben.

Erschienen in der Weltwoche vom 11.10.12

 

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