Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

09.08.2012   12:07   +Feedback

“Umfairteilung”

Wenn Robin Hood heute noch leben würde, könnten wir ihn jeden Tag im Fernsehen sehen, in den Nachrichten, in einer Talk-Show oder bei einer Demo, deren Teilnehmer eine „Umfairteilung“ der Vermögen fordern, um mehr „soziale Gerechtigkeit“ herzustellen und die Staatsschulden von derzeit etwa zwei Billionen Euro – das ist eine Zwei mit zwölf Nullen – auszugleichen. Die Robin-Hood-Idee, dass man den Reichen das Geld wegnehmen müsse, um es den Armen zu geben, findet in der Bundesrepublik immer mehr Anhänger. Es ist eine sehr einfache Idee, die auch denjenigen einleuchtet, die von der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals und vom tendenziellen Fall der Profitrate noch nichts gehört haben.

Der Robin Hood unserer Tage heißt Frank Bsirske und ist der Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di im Deutschen Gewerkschafts-bund. ver.di steht für „Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft“, hieß früher ÖTV, was „Öffentliche Dienste, Transport, Verkehr“ bedeutete. Die Umbenennung war eine Maßnahme zur Imageverbesserung. Tatsächlich klingt ver.di viel feiner als ÖTV, nach Flötenspiel statt Trommellärm.

Aber das ist nur Camouflage. Denn Frank Bsirske, der ver.di-Chef, mag es laut. „Die Zeit ist reif für eine Umverteilung!“ erklärte er vor wenigen Tagen, solange Deutschland „ein Steuerparadies für Vermögende, Erben und Spekulanten“ sei, seien „der Sozialstaat und seine Handlungsfähigkeit“ bedroht.

Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, rief er zu einer Demo vor dem Bundeskanzleramt auf, an der etwa zwei Dutzend Aktivisten und ebenso viele Journalisten teilnahmen. Und so war am Abend des-selben Tages die „Kundgebung“ in allen Nachrichtensendungen zu sehen, in den „tagesthemen“ der ARD sogar an erster Stelle. Dabei kam auch eine junge Frau zu Wort, die bei „attac deutschland“ für das Ökonomische zuständig ist. Sie sagte: „Die reichsten 70.000 Menschen in der Bundesrepublik, also weniger als ein Prozent, die besitzen rund zwei Billionen Euro, das sind zwei Tausend Milliarden und das entspricht interessanterweise oder übertrifft sogar noch die gesammelten Schulden von Bund, Ländern und Gemeinden.”

70.000 Menschen sind nicht weniger als ein Prozent sondern weniger als ein Promille der Bevölkerung. Aber das muss jemand, der in Billionen rechnet, nicht wissen. Jetzt muss nur noch umfairteilt werden.

Erschienen in der Weltwoche vom 8.8.12

 

 

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