Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

04.04.2013   01:03   +Feedback

Rien ne va plus!

Wenn es denn kein Aprilscherz war, soll der zyprische Präsident Nikos Anastasiades die Absicht geäußert haben, auf Zypern ein Spielcasino zu eröffnen, um dem Land neue Einnahmequellen zu erschließen. Bislang sind solche Pläne am Widerstand der griechisch-orthodoxen Kirche gescheitert, deren Vorstellungen von Sitte und Moral mit Black Jack und Roulette nicht zu vereinbaren sind.

Aber der Staat steckt dermaßen in der Klemme, dass er sich solche Bedenken nicht mehr erlauben kann. Also wird Zypern in Kürze wohl ein oder mehrere Casinos bekommen, deren Besucher einen Beitrag dazu leisten sollen, die maroden zyprischen Finanzen zu sanieren.

Womit gleich zwei alte Weisheiten bestätigt wären. Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Und: In der Not frisst der Teufel Fliegen. Auch in Berlin eröffnen derzeit überall neue Spielcasinos, wobei es sich nicht um echte Casinos, sondern um „Spielhallen“ handelt, in denen „einarmige Banditen“ rund um die Uhr rattern.

Auch die Umsätze der Lotto- und Toto-Gesellschaft gehen in die Höhe, denn je schlechter die Zeiten, umso mehr Menschen suchen ihr Glück im Glücksspiel.

Damit wäre Zypern – nach der „Beteiligung“ der Kleinsparer an der Rettung der Banken – zum zweiten Mal Vorreiter bei der Bewältigung einer Finanzkrise geworden. It’s the gambling, stupid! Mit keiner Maßnahme lässt sich so schnell und so einfach eine „Umfairteilung“ der Ressourcen erreichen wie mit organisiertem Glücksspiel. Dabei haben die Menschen, anders als beim Steuerzahlen, nicht das Gefühl, ausgenommen zu werden. Fortuna ist unbestechlich, sie gibt jedem die gleiche Chance.

Auf die Deutschen kommt da einiges zu. Wenn sie ihrer Verantwortung gerecht werden wollen, könnten sie z.B. die Ausbildung der Casino-Croupiers übernehmen; die deutschen Berufsschulen sind ja die besten in Europa. Der deutsche Dipl.-Croup. würde dann nicht nur in Zypern, sondern überall dort, wo es kriselt, eine verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen: Darauf zu achten, dass die EU-weiten Regeln eingehalten werden, dass sauber gespielt wird, dass kein Spieler bis auf die Unterwäsche ausgezogen wird, dass in den Casinos nicht gedealt und nicht gekifft wird.

Es fehlt nur noch ein Name für das Programm. Wie wäre es mit: „Rien ne va plus“?

Erschienen in der Weltwoche vom 4.4.13

 

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