Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

22.03.2013   21:40   +Feedback

Der Rollercoaster des ZDF

Haben Sie zufällig am 20.3. das heute-journal mit Claus Kleber gesehen? Nein? Ich auch nicht, aber dank der ZDF-Mediathek kann man alle Beiträge des ZDF immer und überall nach-sehen, auch am Rande der Apalachen. Vorgestern berichtete das heute-journal u.a. von Obamas Besuch in Israel. Claus Klebers Anmoderation setzte den Zuschauer gleich auf die richtige Spur:

Und nun zur Außenpolitik. Da hat Barack Obama etwas Ungewöhnliches geschafft, er hat eine ganze Amtszeit überstanden, ohne ein einziges Mal nach Israel zu reisen. Das hat Gründe. Politik ist ein persönliches Geschäft, und Netanjahu und Obama mögen sich nicht. Netanjahu hat Obama vorgeführt, aus den Versprechungen der großen Rede des damals jungen Präsidenten in Kairo, aus der ausgestreckten Hand der USA für die jungen Muslime der Welt, ist nicht viel geworden, u.a. auch deshalb, weil Israel sein Siedlungsprogramm in den besetzten Gebieten demonstrativ fortsetzte. Netanjahu und Obama haben einander von Herzen gewünscht, dass der andere seine nächsten Wahlen verliert und das ist jetzt nicht passiert. Jetzt müssen die beiden sich irgendwie arrangieren. Und darum wurden heute in Israel Bilder inszeniert, um die Wahrheit zuzuhängen. Ulf Röller berichtet:

Ja, Claus Kleber hat eine Meinung, und die mag er nicht für sich behalten. Er könnte auch einen Kommentar vom Prompter ablesen, aber ein Bericht ist allemal besser. Denn Kleber sitzt bei den Netanjahus zwischen Bibi und Sarah auf dem Sofa und bei den Obamas unterm Küchentisch, und deswegen weiß er, dass die beiden sich nicht leiden können. Er weiß auch, dass der Bibi den Barack “vorgeführt” hat, wahrscheinlich beim letzten ZDF-Sommerfest, und deswegen ist aus den Versprechungen des US-Präsidenten an die jungen Muslime der Welt “nicht viel geworden” - wegen der israelischen Siedlungspolitik und nicht etwa deswegen, weil die jungen Muslime seit zwei Jahren damit beschäftigt sind, Revolution zu spielen und sich gegenseitig zu massakrieren. Und während die Israelis sich allergrößte Mühe geben, die ganze Wahrheit “zuzuhängen”, macht sich Klebers Mann vor Ort daran, sie wieder zu enthüllen. Ulf Röller:

Lassen wir uns für einen Moment von den Bildern verführen. Sie erzählen von einem Land, das sich im amerikanschen Rausch befindet. Die US-Flaggen verzieren die Straßen von Tel Aviv, die Hauptstadt verpackt wie ein Geschenk für den amerikanischen Präsidenten. Nichts soll schiefgehen.

So hört es sich an, wenn ein Fahrrad mit Hilfsmotor versucht, wie eine Yamaha zu dröhnen. Brummm, brummm. Israels Haupstadt ist eigentlich Jerusalem, es sei denn, es gibt einen anders lautenden Beschluss der heute-Redaktion, den die israelische Regierung “demonstrativ” ignoriert. Da kann schon mal schiefgehen.

Dann gibt es einen kurzen O-Ton von einem Polizeioffizier (“Wir haben 15.000 Polizisten im permanenten Einsatz”) und weiter geht es mit dem Rollercoaster vom ZDF.

Israel marschiert auf zu Ehren eines Gastes, auf den sie so sehnsuchtsvoll gewartet haben. Es ist der erste Besuch des US-Präsidenten, ein Besuch, der Vertrauen schaffen soll. „Wie geht es Ihnen? Schön, Sie zu sehen“, sagt Obama. Patriotische Bilder für eine schwierige Beziehung. Obama will sich als Mann Israels präsentieren.

Und wie immer, wenn es um Israel und die USA geht, wedelt der Schwanz mit dem Hund. Aber Röller durchschaut das Spiel.

Doch die Harmonie ist gespielt. Für Obama ist der israelische Regierungschef einer, der mit seiner Siedlungspolitik den Friedensprozeß im Nahen Osten zerstört. Netanjahu sieht in Obama einen unzuverlässigen Präsidenten eines kriegsmüden Landes.

Um seine Meinung zu untermauern, lässt Röller einen “Nahostexperten” namens James Phillips zu Worte kommen, der noch näher an den beiden Politikern dran ist als der Mainzer:

„Sie haben ein schwieriges Verhältnis, sie sehen die Welt mit völlig unterschiedlichen Augen. Das verschlimmert noch ihre Meinungsverschiedenheiten, eine sehr unterkühlte Beziehung.“

Gut, dass wir das geklärt haben. Und jetzt gehts an Eingemachte:

Begrüßungsgeschenke können auch so aussehen. Das Raketenabwehrsystem Iron Dome zeigen die Israelis dem US-Präsidenten. Amerika hat es mitfinanziert, Israel schützt es vor Angriffen. Waffen als vertrauensbildende Maßnahme, Kinder als Botschafter, mehr Symbolik geht nicht. „Ich möchte ihnen danken für den Irom Dome. Er schützt meine Familie und meine Freunde.“ Und dann singen sie „Tomorrow“, morgen, hollywoodreif die Inszenierung. Doch die Welt da draußen spielt nicht mit. In den besetzten Gebieten demonstrieren die Palästinenser. Und der Mann in Teheran bastelt wohl weiter an seiner Atombombe. Die Israelis wollen ihn schon jetzt stoppen, die USA erst, wenn er wirklich eine Bombe bauen will.

Röller ist auf das Raketenabwehrsystem Iron Dome nicht angewiesen. Er lebt und arbeitet für das ZDF in Washington und ist nur kurz mit Obama in Israel eingeflogen, wo er sich innerhalb von 24 Stunden alles angeeignet hat, das ein Nahost-Experten wissen muss. Für den Fall eines unerwarteten Raketenangriffs hatte er eine kugelsichere Weste mit dem Aufdruck “Ich bin das ZDF!” bei sich. So konnte ihm nichts passieren.

Zum Schluss lässt Röller noch einen israelischen TV-Journalisten einen Satz sagen: “Of course there is a concern…” Röller übersetzt das mit “Natürlich haben die Israelis Angst, dass…”. Es ist eine sehr kreative Übersetzung, wie der ganze Bericht. Obama ist ein Mann Israels. Tel Aviv ist die Hauptstadt des Landes. Israel zerstört mit seiner Siedlungspolitik den Friedensprozess, der ansonsten längst vollendet wäre; der Mann in Teheran bastelt an seiner Atombombe; Israel schützt das Raketenabwehrsystem Iron Dome vor Angriffen. Und Röller rollt schon zum nächsten Einsatz, um die Wahrheit zu enthüllen, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit.

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