Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

30.01.2013   21:44   +Feedback

Felix Germania!

Dass Männer alle nur „das Eine“ wollen und dass eine anständige Frau es ihnen nicht zu leicht machen darf, ist eine Weisheit, die noch vor einer Generation jeder Tochter von ihrer Mutter mit auf den Weg gegeben wurde. Dass Männer „Schweine sind“,  war auch die Botschaft der „Ärzte“ an ihre Fans: „Ein Mann fühlt sich erst dann als Mann/Wenn er es dir besorgen kann/ Er lügt, dass sich die Balken biegen/Nur um dich ins Bett zu kriegen…/ Ausnahmen gibt’s leider keine/ In jedem Mann steckt doch immer ein Schwein.“

Und es ist über 100 Jahre her, da Karl Kraus in einem Bericht über einen Kongress zur Bekämpfung des Mädchenhandels das Wesen der männlichen Moral in einem Satz zusammen fasste: „Die Herren der Schöp-fung wollen das Angenehme mit dem Nützlichen ver-binden, zugleich der Prostitution und der Prostituierten an den Leib rücken.“

Insofern ist die derzeit in Deutschland geführte Sexismus-Debatte weder neu, noch enthält sie irgend- einen Gedanken, der noch nicht gedacht, gesagt oder geschrieben wurde. Ausgelöst wurde sie durch den Bericht einer stern-Reporterin, der mit einjähriger Verspätung eingefallen war, dass sie von dem FDP-Fossil Rainer Brüderle um Mitternacht in einer Hotelbar unziemlich angemacht wurde. Es handelte sich um eine Bemerkung am unteren Rand der nach oben offenen Sexismus-Skala, die sich auf die Dirndl-Tauglichkeit der 29 Jahre jungen Frau bezog.

Und nun debattiert ganz Deutschland über den „alltäg-lichen Sexismus“. Nein, es geht nicht um die Lage der muslimischen Frauen in Deutschland, die zwangsver-heiratet und gelegentlich auch ehrengemordet werden, es geht nicht um TV-Serien wie den „Bachelor“, wo 20 Frauen so lange um einen Mann buhlen, bis er sich für eine von ihnen entschieden hat, es geht um die täglichen Zumutungen, denen Frauen vor allem am Arbeitsplatz ausgesetzt sind. Das Problem hat eine solche Dimension angenommen, dass sich sogar die Kanzlerin in die Debatte eingeschaltet hat.

Man kann das ganze Sache lächerlich finden, man kann ihr aber auch etwas Positives abgewinnen. Wenn „der alltägliche Sexismus“ Deutschland dermaßen umtreibt,   dann muss Deutschland ein Land sein, dessen größtes Problem die Tatsache ist, dass es keine Probleme hat. Felix Germania!

Erschienen in der Weltwoche vom 31.1.13

 

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