Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

29.11.2012   04:16   +Feedback

Voll integrierte Opfer

Man kann in Deutschland inzwischen beinah alles: gut essen, qualitätsbewusst einkaufen, Luxusreisen online buchen, Politiker mieten und Reptilien als Haustiere halten. Nur eines kann man nicht: Satiren schreiben. Denn keine Fantasie, wie ausgeflippt sie auch ein mag, vermag mit der Wirklichkeit Schritt zu halten.

Jedes Jahr wird der „Bambi“ verliehen - ein vergoldetes Reh aus Bronze von 2.5 Kilo Gewicht - an Menschen, die etwas Besonderes geleistet haben. Anfangs ein Filmpreis zu Ehren von Stars wie O.W. Fischer und Horst Buchholz, Sophia Loren und Gina Lollobrigida, wird er inzwischen auch an „stille Helden“ vergeben.   In diesem Jahr ging einer der 19 Bambis an den Berliner Rabbiner Daniel Alter. Er bekam das Reh in der Kategorie „Integration“. Was hatte Daniel Alter getan,  um von der Bambi-Jury als preiswürdig befunden zu werden?

Genau genommen nichts, wenn man davon absieht, dass er Ende August bei einem Spaziergang in seinem Viertel von ein paar Jugendlichen krankenhausreif geprügelt wurde, die seitdem von der Berliner Polizei ebenso fieberhaft wie vergeblich gesucht werden. Sie fühlten sich durch eine „Kippa“, die Alter unter einer Mütze versteckt trug, zu ihrer Tat provoziert.

So etwas ist ein Erlebnis, das man nicht einmal seinem ärgsten Feind wünscht. Für Daniel Alter aber hatte der Überfall nicht nur negative Folgen. Kaum genesen, ernannte ihn die Berliner jüdische Gemeinde zu ihrem „Antisemitismus-Beauftragten“; letzte Woche wurde er bei der Bambi-Gala mit Standing Ovations gefeiert.

Man muss also festhalten: Ein Jude, der zusammenge-schlagen wird, leistet einen preiswürdigen Beitrag zur Integration. Hätte er den Bambi auch dann bekommen, wenn er kein fragiler Rabbiner, sondern ein robuster Muskelprotz gewesen wäre und die Angreifer in die Flucht geschlagen hätte? Man muss es bezweifeln. „Als Opfer schlägt einem Juden in Deutschland eine Welle der Sympathie entgegen“, schreibt der Kölner Regisseur Gerd Buurmann, „die beliebtesten Juden in Deutschland sind die berühmten sechs Millionen“. Nicht ganz so beliebt sind dagegen Juden, die sich beizeiten wehren.

Wohl deswegen wird kein Israeli je einen Bambi für „Integration“ bekommen.

Erschienen in der Weltwoche vom 29.11.12

 

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