Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

25.04.2013   04:03   +Feedback

Kapital-Verbrechen

Noch vor zwei Generationen gab es kaum eine größere Schande, als Mutter oder Vater eines unehelichen Kindes zu sein, in einer Schwulenbar gesehen zu werden oder einen Deserteur in der Familie zu haben. Heute ist „alleinerziehende Mutter“ eine sozial anerkannte Lebensart, Homosexualität eine unter vielen Optionen der Selbstverwirklichung und „Kriegsdienstverweigerung“ angesichts der Abschaffung des Wehrdienstes gegenstandslos geworden. Was moralisch verwerflich ist, bestimmt der Zeitgeist. Und derzeit ist kaum etwas verwerflicher als das Hinterziehen von Steuern.

Im Februar 2008 wurde der damalige Vorstandsvorsi-tzende der Deutschen Post, Klaus Zumwinkel, nach einer Haudurchsuchung in seiner Kölner Villa festgenommen und abgeführt – unter den Augen von Journalisten, die noch vor den Ermittlern vor Ort waren. Ein knappes Jahr später wurde Zumwinkel zu zwei Jahren auf Bewährung und einer Million Euro Geldstrafe verurteilt.

Er hatte gestanden, mit Hilfe einer Liechtensteiner Stiftung im Laufe von fünf Jahren 970.000.- Euro Steuern hinterzogen zu haben.

Aber das waren Peanuts im Vergleich zu den Summen, um die es im Falle der Sportikone Uli Hoeneß geht. Der 61jährige bayrische Wurstfabrikant war erfolgreicher Fußballer beim FC Bayern, bevor er Manager und schließlich Präsident des bekanntesten und glamourö-sesten deutschen Fußballvereins wurde.

Hoeneß soll auf Schweizer Konten gigantische Summen deponiert haben, die Rede ist von mehreren Hundert Millionen Euro - versteuertes Geld, dessen Kapitalerträge Hoeneß dem deutschen Fiskus nicht gemeldet hatte.

Nun fragt sich ganz Deutschland, woher Hoeneß so viel Geld und was ihn dazu getrieben hatte, dermaßen leichtfertig zu handeln. Denn er präsentierte sich immer als ein Biedermann, dem es vor allem darauf ankam, „am Monatsende genug Geld“ zu haben, „um die Familie ernähren“ zu können.

Es gibt keinen Grund, mit Zumwinkel und Hoeneß Mitleid zu haben. Aber fragen muss man sich, warum ein Staat, der seinerseits eine katastrophale Finanzpolitik betreibt, Steuerhinterziehung wie ein Kapitalverbrechen verfolgt. Sogar die Kanzlerin hat sich von Hoeneß distanziert. Denn im Vergleich zu den Billionenschulden, mit denen kommende Generationen belastet werden, sind auch die von Hoeneß nicht deklarierten Einnahmen - nichts als Peanuts.

Erschienen in der Weltwoche vom 25.4.13

 

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