Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

23.01.2010   12:10   +Feedback

Vulgär-biologistischer Zugang zur NS-Geschichte

Lieber Herr Broder,

Ihre Überlegungen unter
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/die_stunde_der_komoedianten_1/
sind ja wieder einmal ultrawitzig.

Was sagt eigentlich Dan Diner (immerhin Jahrgang 1946) dazu, dass Sie ihn als “Nachwuchshistoriker” bezeichnen, denn von diesem stammt ja das inkriminierte Zitat. Fühlt er sich jetzt eher geschmeichelt (bald 64 und noch “Nachwuchs”), oder ist er angepisst, und Sie haben jetzt einen anti-antiamerikanistischen Mitstreiter weniger im Kampf gegen das weltweit lauernde Böse?

Ich erspare mir, auf die jeweiligen abstrusen und von Sachkenntnis (oder der englischen Sprache) ungetrübten Einzelheiten Ihrer Zeilen einzugehen. Mir ist zunächst nur eine Sache wichtig, denn genau die macht aus meiner Sicht Ihren Beitrag so unappetitlich:

Wie um alles in der Welt kommen Sie darauf, dass wir (Workshop-Beteiligte) alle Nachkommen von Tätern sind? Bei einigen von uns ist das Gegenteil der Fall, aber Sie waren zu träge / unwillig / inkompetent oder was auch immer, das zu recherchieren. So machen Sie einige billige Comedy-Punkte auf Kosten auch von Nachfahren von Widerstandskämpfern und KZ-Häftlingen. Darüber hinaus kann ich allerdings auch nicht erkennen, was so schlimm daran ist / wäre, wenn sich Nachkommen von Täter/innen mit der NS-Geschichte beschäftigen. Ganz prinzipiell kann ich generell nichts Schlimmes daran finden, wenn Menschen sich mit der NS-Geschichte beschäftigen: Mein Zugang dazu ist einfach nicht so vulgär-biologistisch wie der Ihrige.

Mit besten Grüßen
Marco Kühnert

lieber herr kühnert,
vielen dank für ihren brief. sie sind wirklich dümmer als die promotionsordnung erlaubt.

gut lesen können sie schlecht, aber schlecht denken können sie prima. ich werde also gnade vor unlust ergehen lassen und sie aufklären, was es so mit dem „ereignis auschwitz“ auf sich hat.

dass der satz von dan diner stammt, weiss ich, das macht ihn nicht besser. dass sie sich hinter einem jüdischen historiker verstecken, um den von ihnen fabrizierten unsinn zu veredeln, gehört wohl zu den feinheiten der akademischen event-kultur, die aus den katastrophen von gestern die planstellen von morgen macht.

was also hat es mit dem „ereignis“ auf sich? sind die zahngoldpreise in den keller gefallen? produziert boss nach wehrmachtsuniformen jetzt auch KZ-moden? kommt birkenau auf die weltkulturliste der UNESCO?

es ist noch schlimmer. auschwitz ist die größte touristenattraktion im raum krakau, ein muss für jeden besucher der region. auschwitz wird wie disneyland beworben und spielt – ähnlich wie das berliner holo-mahnmal – direkt und indirekt millionen ein.

grundlage des geschäfts ist der tod von über einer million häftlingen und das bedürfnis der besucher nach einem grusel-erlebnis der extrra-klasse. für die ökonomie der emotionen ist es gleich, ob einer ein gruselkabinett oder die gaskammern besucht, der unterschied liegt nur in der intensität der imaginierten gefühle. die gaskammer ist geiler und authentischer als jeder schlachthof.

bei unbedarften besuchern, die schon den westwall in der eifel, verdun und peenemünde besucht haben, lass ich das durchgehen. aber nicht bei akademikern, die ihre nekrophile geilheit mit dem mantel der wissenschaftlichen neugierde verhüllen. die sprache, die sie dabei benutzen, ist nichts als präpotentes geschwätz, ausgeleiert wie ein alter turnschuh.

ich glaub ihnen aufs wort, dass unter ihren seminaristen auch die „Nachfahren von Widerstandskämpfern und KZ-Häftlingen“ sind. die sind heute überall, weil es im 3. reich nur widerstandskämpfer und kz-häftlinge gegeben hat. manche sind besoffen vom wachturm gefallen und dabei ums leben gekommen, weswegen deren nachfahren heute unbedingt den ort besuchen müssen, an dem das ereignis stattgefunden hat.

ich habe nichts dagegen, dass sich „Nachkommen von Täter/innen mit der NS-Geschichte beschäftigen“, sogar dann, wenn sie dabei das idiotische genderneutrale große I benutzen. dafür müssen sie freilich nicht nach auschwitz reisen, das können sie auch in ihren seminarräumen erledigen. der aufenthalt vor ort bringt keinen erkenntnisgewinn mit sich, er trägt nur zum horror loci bei, der seinerseits sado-masochistische phantasien produziert. die toten seelen der seminaristen füllen sich mit leben, wenn sie den geruch von zyklon b erschnüffeln.

schade, dass auschwitz von den alliierten nicht bombardiert wurde. noch bedauerlicher ist es, dass es nach dem krieg nicht dem erdboden gleichgemacht wurde, um zu verhindern, dass nekrophile vulgär-historiker wie sie und ihre seminaristen den ort durch ihre anwesenheit kontaminieren.
viel spass in birkenau
b.

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