Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

01.09.2007   17:49   +Feedback

Terror in München

– von J. Boie

Gerade hatte ich angefangen, München wirklich gern zu haben. Viele teure Autos, gutes Essen und eine Vorliebe der Einwohner für Bier, bei der man das Gefühl hat, dass sie wirklich von Herzen kommt. Und dann passiert so was:

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Hier lässt es sich gut leben, dachte ich noch heute morgen als ich die Theatinerstraße entlang schlenderte und mir staunend Patek Philippe Uhren ab 15 000 Euro und Krawatten für lächerliche 500 Euro in den Schaufenstern von Uhren-Huber und Konsorten anschaute. Doch der Spaß fand ein jähes Ende, als ich um die Ecke auf den Marienplatz kam: Lauter Lärm drang durch meine Kopfhörer und störte Sarah Chang beim Violinkonzert. Außerdem stank der ganze Platz nach Schweiß und selbst gedrehten Zigaretten, kurz: ich fühlte mich wie an einer Uni in Berlin. Was sollte das? Ein Schutzmann erklärte mir, in München werde heute demonstriert. Das konnte ich nicht verstehen. Bislang dachte ich, der Münchner sei zufrieden, wenn man ihm sein BMW-Cabrio lässt und genügend Haargel, um das Haupthaar angemessen um die Bügel der Gucci-Brille herum zu frisieren. Falsch gedacht: „Wir demonstrieren gegen Rassismus und Menschenhass“, sagte eine weibliche Stimme hinter mir. Ich fuhr herum. Ich fahre immer herum, wenn ich hinter mir Frauen reden höre – es ist ein Reflex.

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Sie war aber gewiss keine Cabrio-Besitzerin und Haargel hatte sie auch nicht benutzt. Später sah ich sie wieder und da hatte sie demonstrativ Steine vor sich liegen und ich wusste nicht, wie militant sie wirklich ist. Das Bundesministerium für Familie, Senioren und so weiter führt zur Zeit eine Studie über Gewalt von Frauen gegen Männer durch. Ich wollte nicht zu einer Zahl in diese Statistik werden. Darum zog ich es vor, mit meiner Meinung hinter dem Berg zu halten. Stattdessen sagte ich: „Oh.“ Zugegebenerweise keine sehr schlagfertige Antwort.

Aber ganz ehrlich, ich wollte auch nicht gleich wieder alles schlecht finden: Idealismus ist zum Beispiel voll ok mit mir, da bin ich eigentlich gerne dabei. Und Demonstrieren ist auch wichtig, finde ich: Neulich hätte ich fast eine ein-Mann-Demonstration gestartet, gegen den einmonatigen Entzug meines Führerscheines durch die bayerische Staatsgewalt. Aber gegen Rassismus und Fremdenhass zu demonstrieren finde ich auch in Ordnung, schließlich lehne ich beides ab und deshalb habe ich mich ein bisschen unter die Demonstranten gemischt. Leider roch es nicht nur wie an einer Berliner Uni, sondern sah auch so aus.

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Die “Aktivisten” beschäftigten sich selbstverständlich eingehend mit Israel. “Die israelische Gesellschaft ist krank”, bekam ich zu hören. “Sie liegt im Koma”, ergänzte jemand anderes. “Sie ist schizophren”, sagte der erste. Kurz bevor das Gespräch in eine medizinische Fachdisskusion mündete, kam die Therapieempfehlung. “Israel”, sagte eine Frau, “muss mit der Hamas verhandeln.” Ich schwankte, ob ich jetzt tatsächlich einen Arzt rufen oder einen der dekorativ ausgelegten Pflastersteine benutzen sollte.

Erst der Erwerb eines Feuerzeuges bei der Marxistischen-Leniistischen-Partei konnte mich wieder beruhigen. “Wir sind gegen das Kapital”, erklärte der Mann und nahm meinen Euro, “aber Sie finanzieren damit unsere Arbeit.” Ach so.

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Die in Berlin verbliebenen Freunde, die sich gerne zum Verrückten-Anschauen treffen, hätten in jedem Fall ihre helle Freude gehabt. Der eine oder andere von Ihnen, liebe Leser, hätte vielleicht auch bei der Frage des folgenden Plakates mit “Ja” geantwortet. Schließlich wird einem nicht jeden Tag eine kostenlose Comedy-Show geboten, schon gar nicht in München: hier kostet alles Geld, und zwar nicht zu knapp!

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Die Münchner aber wollten nicht. Sie rümpften die Nase und zogen ihre nasebohrenden Kinder zwanzig Meter weiter. Dort stand der einzige Unterhaltungskünstler, der offen zugab, einer zu sein. Er wollte, dass man über ihn lacht. Ehrlichkeit gefällt den Menschen hier. Ich bin mit der Stadt versöhnt.

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Der Marienplatz hingegen blieb gähnend leer, nur ein einzelner KPD-Mann in seiner Mitte schrie verzweifelt gegen Kapital und Armee, gegen Israel und Gottunddiewelt an. Eine groteske, fast zu bemitleidende Figur, stilecht mit rotem Halsband, der vereinzelt mitleidige Blicke geschenkt wurden.

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Mir wurde es zu langweilig und ich spürte, wie lange ich mir diesen Irrsinn schon anschaute. “Ein Snack wäre gut”, dachte ich, aber leider fand ich keinen Starbucks, denn ich bin noch neu in der Stadt. Andererseits war ich ohnehin zu hungrig, als dass es ein Brownie getan hätte. Und zum Glück gibt es ja noch:

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Alle Bilder wurden mit Einverständnis der abgebildeten Personen erstellt.

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