Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
16.09.2001 13:03 +Feedback
Kinderbilder, die wir nicht so schnell vergessen.
Bild 1, Nordirland: Zu Tode erschrockene und weinende Mädchen, die - von ihren protestantischen Nachbarn, beschimpft, bespuckt, bedroht - durch einen schwerbewaffneten Polizeikordon geschützt werden müssen, um die katholische Schule durch den Haupteingang zu betreten, der in einer protestantische bewohnten Straße liegt. Ihre Mütter und Väter haben so entschieden. Der Hintereingang liegt in einer katholisch bewohnten Straße. Vielleicht würden die Kinder ihn viel lieber benutzen. Bild 2, Florida: Brav und aufmerksam schauen die sauber gekämmten Schüler aus Florida hinter George Bush in die Kamera. Eben noch hatte der Präsident ihnen aus einem Buch vorgelesen. Vielleicht hatte er ihnen, wie zuvor einer anderen Schulklasse auch, erklärt, warum die Raketenabwehr...
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Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Während in N.Y. noch mindestens 4.7oo Menschen vermisst und Leichenteile aus den Trümmern gezogen werden, meldet sich in der taz Mathias Bröckers zu Wort, um “verschwörungstheoretische anmerkungen zu einem terroranschlag” zu verbreiten. Sein Beitrag steht auf der Seite “die wahrheit” und deswegen von vorneherein im Verdacht, satirisch gemeint zu sein. Das wäre ein mutiges Vorhaben, denn in diesen Tagen hat es sogar Harald Schmidt die Sprache verschlagen, er schweigt. Mathias Bröckers aber schweigt nicht. Und er schreibt keine Satire, er meint es ernst. Er verweist auf Zusammenhänge und Interessenlagen, die nur einer erkennen kann, der über ein Wissen verfügt, das ihm einen gewaltigen Erkenntnisvorsprung sichert.
“Während das Pulverfass im Nahen Osten seit einem Jahr zündelt und die Local...
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Neuerdings müssen wir immer raus nach Neukölln, wenn Elzbietta zu Besuch in Berlin weilt. Neukölln, sagt Elzie, sei der einzige Grund, wieder nach Berlin zurückzukehren, obwohl es dort nicht so tolle Musiker wie in Hamburg gibt. Schon wenn wir vom Stadtring runter auf die Karl-Marx-Straße kommen, die dort noch Buschkrugallee heißt, wird meine Freundin ganz hibbelig vor Aufregung. “Wie der Broadway an den 120ern,” flüstert sie hingerissen und deutet auf die Einfahrt zum Wal-Mart; auf die vielen Läden, in denen man die neuesten Handys kaufen und in nie zuvor gehörte arabische und asiatische Länder für ein Spottgeld telefonieren kann; und vor allem auf die vielen verschiedenen Menschen, die so aussehen und so gekleidet sind wie nirgendwo sonst in Berlin. Tatsächlich: Neukölln ist anders. Anders als Berlin und...
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Auch in der Gastronomie sind die Nazis auf dem Vormarsch - da besteht dringender Handlungsbedarf…
Das Unangenehme an Demonstrationen ist, dass man sie nicht daheim, in den eigenen vier Wänden abhalten kann. Man muss raus auf die Straße, sich Wind und Wetter aussetzen, auch mal eine Konfrontation mit der Polizei riskieren. Wie viel schöner wäre es, wenn man eines morgens aufwachen und sich sagen könnte: Heute bleibe ich im Bett und demonstriere gegen die Globalisierung! Und in der Tat: wenn das zehn Millionen Menschen auf einmal tun würden, wäre es eine machtvolle Demonstration, die - im Gegensatz zu Genua - keine Opfer kosten, andererseits aber auch nicht so viel Spaß machen würde. Denn allein demonstrieren ist so befriedigend wie Solo-Sex: besser als gar nichts und doch nicht das Wahre. Das gleiche gilt für den Aufstand der...
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“Das dritte Jahrtausend wird haarlos sein”, sagte Elzie düster, als wir die Party in Hamburg Eppendorf verließen. Sie hatte sich den ganzen Abend mit einem Schönheitschirurgen unterhalten, und der hatte ihr erzählt, dass sein Hauptklientel nicht etwa die gelangweilten Gattinnen von gutverdienenden Fremdgehern über 50 seien, sondern vor allem Mädchen und Jungen zwischen 17 und 25, die ihr Erspartes von Kommunionen, Konfirmationen, Geburts- und Namenstagen bei ihm ließen. Der Hit unter den Jungen ist derzeit das Weglasern von Brustbehaarung, berichtete Elzie noch völlig fasziniert von ihrem Gespräch. “Tatsächlich läuft alles auf die endgültige Vernichtung des menschlichen Haars hinaus. Erst haben sich die Frauen die Beine rasiert, dann musste es unter den Achseln weg und die sogenannte Bikini-Zone sollte auch...
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Am kommenden Sonntag wird in Berlin das Jüdische Museum eröffnet. Die Reden, die aus diesem Anlass gehalten werden, kann man sich jetzt schon vorstellen. Wie viel Deutschland den Juden zu verdanken hat, was für einen enormen Beitrag sie zur deutschen Kultur geleistet haben, wie sehr sich Deutschland selbst geschadet hat, weil es die Juden vertrieben hat, und dass man aus der Geschichte lernen müsse, damit sich derartiges nicht wiederhole. Die toten und an die abwesenden Juden sind der Deutschen liebste Kinder. Sie stören nicht und taugen als Objekte für Reueübungen, die so ernst gemeint sind, wie die guten Vorsätze, die normale Menschen fassen, wenn sie von einer schweren Krankheit genesen sind: Ich werde nie wieder rauchen oder Ich werde täglich eine Runde joggen....
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Warum sich eigentlich vorm Klonen fürchten? Manchmal sieht man Menschen, bei denen kommt einem ganz spontan die Idee, dass der Replikant längst Realität geworden ist. Ja, wahrscheinlich werden sie mittlerweile schon generationenweise in Massen für den jeweiligen Winter- und Sommerschlussverkauf hergestellt. Die wenigste Mühe gibt sich die inländische Klon-Produktion übrigens mit den Alten. Besonders die Männer werden offenbar im lieblosen Ruckzuckverfahren gefertigt: Ab dem 65sten Lebensjahr steckt man sie im Sommer in braune Sandalen mit grauen Socken, beige Anoraks und karierte, kurzärmlige Hemden; für den Winter gibt’s zusätzlich ein graues Schuhpaar und die dazu passende graue Jacke, und dann müssen sie nur noch ordentlich freudlos und maulig sein.
Gleichaltrige Frauen kriegen zu Hammerzeh und Überbein...
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Erst delirierten wir in the heat of nights and days, und dann klappte es noch nicht mal mehr mit dem Computer. Im Grunde ist doch vollkommen klar, warum Berlin niemals eine Hochwasserkatastrophe erleben könnte. Es liegt nicht nur, wie manche behaupten, am märkischen Sandboden, der trocken und dankbar alles aufsaugt, was an Nass herunterkommt. Es liegt vor allem daran, dass der Berliner als Gesamtmasse völlig unfähig ist, mit natürlichen Phänomen umzugehen. Von Katastrophen ganz zu schweigen. Krieg und Nachkriegszeit okay, das schaffen wir locker. Aber bitte keine Natur. Man kann es schon am Straßenverkehr erkennen, wenn es mal regnet: da ist ein dilettantisch Rumgeirre, als habe niemand einen Scheibenwischer. Dabei werden doch mittlerweile die Autos nur noch auf ihren Spaßfaktor hin gebaut, alles andere ist...
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