Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

03.09.2001   13:04   +Feedback

Am rechten Rand

Biolek, Schwarzer, Friedman, Lummer, Krusty - wer taugt zum Moderator, wer nicht?

Warum die FAZ recht hat, dass Friedmanals Moderator nicht taugt.

Am kommenden Sonntag wird in Berlin das Jüdische Museum eröffnet. Die Reden, die aus diesem Anlass gehalten werden, kann man sich jetzt schon vorstellen. Wie viel Deutschland den Juden zu verdanken hat, was für einen enormen Beitrag sie zur deutschen Kultur geleistet haben, wie sehr sich Deutschland selbst geschadet hat, weil es die Juden vertrieben hat, und dass man aus der Geschichte lernen müsse, damit sich derartiges nicht wiederhole. Die toten und an die abwesenden Juden sind der Deutschen liebste Kinder. Sie stören nicht und taugen als Objekte für Reueübungen, die so ernst gemeint sind, wie die guten Vorsätze, die normale Menschen fassen, wenn sie von einer schweren Krankheit genesen sind: Ich werde nie wieder rauchen oder Ich werde täglich eine Runde joggen. Die wahre Wirklichkeit sieht anders aus. Es ist nicht Horst Mahler und es sind nicht die Skins in Brandenburg, die ihr Verlangen, endlich stolze Deutsche sein zu dürfen, nächtens auf jüdischen Friedhöfen austoben, wenn gerade mal kein Asylantenheim in der Nähe ist. Es ist der Salon-Antisemitismus der repräsentativen Elite, der inzwischen so selbstverständlich geworden ist wie die Frage, wie viele Ausländer “unser Land” verkraften kann.. Am Anfang war die Buchmessen-Rede von Martin Walser, der, statt den Aus-Knopf an seinem Fernsehgerät zu drücken, vollmundig das “Recht auf Wegsehen” proklamierte, weil er den Einsatz der “Moralkeule” Auschwitz nicht mehr ertragen konnte. Statt über ein solches Gagatum aufzulachen, bedankten sich die Zuhörer bei Walser mit standing ovations, denn er hatte ihnen aus dem Herzen gesprochen. Den Vorwurf, er sei “ein geistiger Brandstifter”, fanden viele sensible Intellektuelle so unerträglich, dass sie sich schützend vor und hinter Walser stellten. Monika Maron bekannte in der ZEIT, sie “zittere jetzt ein wenig, da ich ihn (Walser) verteidige,” und fragte an: “Wo lebe ich, dass ich mich fürchte, zu sagen, was ich denke?”; und Klaus von Dohnanyi, Sozialdemokrat aus feinem Haus, drehte in der FAZ den historischen Spieß um: “Auch die jüdischen Bürger in Deutschland,” forderte er, müssten sich fragen, “ob sie sich so viel tapferer als die meisten anderen Deutschen verhalten hätten, wenn nach 1933 ‘nur’ die Behinderten, die Homosexuellen oder die Roma in die Vernichtungslager geschleppt worden wären.” Jahre vorher schon hatte Ekkerhardt Krippendorff vom Otto Suhr Institut der FU geschrieben, die Juden hätten das Dritte Reich aus den Angeln heben können, wenn sie - statt sich abtransportieren zu lassen - passiven Widerstand geleistet und Sitzstreiks veranstaltet hätten. Es kann nicht mehr lange dauern und irgendein Feingeist, der im Literarischen Quartett noch nicht zu Wort gekommen ist, wird die Behauptung aufstellen, am Dritten Reich wären die Juden schuld, was objektiv gewiss richtig ist, denn wen sonst hätten die Nazis mit einer solchen Lust an der Freud’ jagen können: Die Radfahrer, die Linkshänder, die Stotterer? Oder die Moderatoren? Wenn es diesen Beruf im Dritten Reich schon gegeben hätte. Heute gibt es ihn, und da muss man überlegen, welcher Moderator für seinen Job taugt und welcher nicht. Letzten Samstag erklärte Michael Hanfeld auf der Medienseite der FAZ, “warum Michel Friedman der falsche Moderator ist”. Weil er zu laut und zu krakeelig ist? Weil er ohnehin ständig im Fernsehen zu sehen ist? Weil ein Politiker nicht auch noch Moderator spielen muss? Über solche Einwände könnte man ja diskutieren. Aber Hanfeld bringt eine andere Argumentation ins Spiel. Weil Friedman “vom rechten Rand unserer Gesellschaft verfolgt… und persönlich bedroht wird,” weil er “die Gefahr von rechts jeden Tag am eigenen Leib erfährt” und deswegen annehmen muss, “dass außer ihm fast alle auf der falschen Seite” stehen. Eine hübsche Gedankenkette, die Hanfeld zwar als Frage aufbaut, die Konsequenz freilich als Aufforderung formuliert: Die ARD sollte überlegen, “wem sie ein Podium geben will und wem nicht”. Nun gibt es zwar kein Gesetz mehr zum Schutze der deutschen Ehre und des deutschen Blutes, aber offenbar doch noch den Wunsch, deutsche Moderatoren sollten deutsche Befindlichkeiten und nicht jüdische Ängste formulieren. Hanfeld sagt es nicht, aber zwischen seinen Zeilen kann man es klar lesen: Friedman taugt nicht als Moderator, weil er Jude ist und weil er als Jude eine spezielle Sicht auf seine Gäste und sein Umfeld hat, - er weiß, “dass er wieder einmal einen Schuldigen vor sich hat, der entweder bei ihm die Beichte ablegt oder zu verdammen ist.” Das ist bei anderen Moderatoren, Biolek, Körner, Willemsen, offenbar nicht der Fall. Das FAZ-Feuilleton über Friedman ist ein kleiner Schritt vorwärts auf dem Wege in die deutsche Normalität. Zum ersten Mal wird der Umstand, dass einer Jude ist, ganz ungeniert als disqualifizierendes Moment für einen Job in der Öffentlichkeit genannt, fürsorglich in die Überlegung gekleidet, einer, der “vom rechten Rand verfolgt” wird, könne gar nicht anders, als nach “Schuldigen” suchen, die er in der Sendung niedermachen muss. Umgekehrt gilt dann, wo vom “rechten Rand” keine Bedrohung ausgeht, da ist der Moderator nicht befangen. Und optimal wäre es, wenn der rechte Rand in der Person des Moderators schon integriert wäre. Es muss nicht gleich Ernst Lummer sein. Als Alice Schwarzer eine Talkshow moderierte, störte sich niemand daran, dass sie Saddam Hussein verteidigt, Leni Riefenstahl als Opfer ihrer Zeit präsentiert und die Böhsen Onkelz als nette Buben vorgestellt hatte. Was Friedman sicher nicht machen würde. Denn was ein guter deutscher Moderator ist, der trägt den rechten Kern lieber in sich, als dass er sich vom rechten Rand bedrohen läßt.

HMB, 3.9.2oo1

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