Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

08.09.2001   13:05   +Feedback

Pomp, Duck und Antifa

Auch in der Gastronomie sind die Nazis auf dem Vormarsch - da besteht dringender Handlungsbedarf…

Das Unangenehme an Demonstrationen ist, dass man sie nicht daheim, in den eigenen vier Wänden abhalten kann. Man muss raus auf die Straße, sich Wind und Wetter aussetzen, auch mal eine Konfrontation mit der Polizei riskieren. Wie viel schöner wäre es, wenn man eines morgens aufwachen und sich sagen könnte: Heute bleibe ich im Bett und demonstriere gegen die Globalisierung! Und in der Tat: wenn das zehn Millionen Menschen auf einmal tun würden, wäre es eine machtvolle Demonstration, die - im Gegensatz zu Genua - keine Opfer kosten, andererseits aber auch nicht so viel Spaß machen würde. Denn allein demonstrieren ist so befriedigend wie Solo-Sex: besser als gar nichts und doch nicht das Wahre. Das gleiche gilt für den Aufstand der Anständigen: der macht nur in der Menge Spaß, wenn man mit vielen Gleichgesinnten “Nazis raus!” rufen, zugleich aber sicher sein kann, dass keine mit von der Partie sind. Manchen Anständigen sind solche Demo-Formen freilich zu gewöhnlich, zu anstrengend und zu wenig exklusiv. Andererseits möchten sie sich am antifaschistischen Aufschwung beteiligen, ihren Ekel vor dem Nazi-Pack auf eine klare aber stilvolle Art zum Ausdruck bringen. Diesen Sonntag haben sie dazu die Gelegenheit. 6o Restaurants in der ganzen Bundesrepublik machen mit bei der Aktion “Kochen für ein weltoffenes Deutschland”. In Berlin sind es fünf Lokale der kulinarischen Oberklasse, die beim Kochen gegen Rechts alle Löffel mobilisieren. In einem Lokal kostet ein Dreigängemenü 8o,- Mark, in einem anderen muss man für “Spezialitäten von fünf Kontinenten” 15o,- Mark bezahlen, die dazugehörigen Weine inklusive. Die Hälfte des Erlöses geht an den Verein “Gesicht Zeigen!”, den die Bundesregierung ins Leben gerufen hat, um Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus zu bekämpfen.

Ja, so macht das Demonstrieren Spaß, man ist nicht daheim und doch nicht an der rauhen Luft, und am Ende, wenn die Rechnung kommt, kann man sagen: Den Nazis haben wir es aber gegeben! Sollen die es noch mal wagen, mit ihren Bratwürsten die Luft zu verpesten! Was passiert aber, wenn, wie bei jeder Demo, etwas schief geht? Wenn die Entenbrust gebraten, an Lavendelsauce und Kartoffel-Apfel-Gratin, nicht so zartrosa ausfällt, wie sie sollte? Oder der Loup de Mer mit geschmortem Chicoree und Rosmarinkartoffeln noch ein wenig nach Kutter und Eisbox schmeckt? Wird dann die Demo für ungültig erklärt? Bekommen die Teilnehmer ihr Geld zurück? Werden die jeweiligen Köche zur Strafe nach Guben und Wurzen versetzt? - Spätestens beim “Erdbeersüppchen mit hausgemachtem Vanilleeis” zum Nachtisch wird man wissen, wie erfolgreich “Kochen gegen Rechts” war.

Unsere Aktion gegen rechts: links fahren

Außerdem: Die nächste Antifa-Kampagne ist schon im Anmarsch. Der Autoverleiher SIXT rollt vorneweg. “Unsere Aktion gegen rechts: links fahren.” Teilnahmeberechtigt sind alle, die eine Limousine von einem Coupe unterscheiden können. Wer demnächst auf der Überholspur mit 2oo km/h erwischt wird, muss nur sagen: “Ich fahre gegen Rechts.” - Und schon hat er sich als mobiler Antifaschist auf hohem Niveau ausgewiesen.

Henryk M. Broder, Berlin, 8.9.2oo1

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