Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

01.04.2000   13:06   +Feedback

Paul hat Euch lieb

Am 10. Februar 2000 wurden zwei gute Deutsche geehrt. Berthold Beitz und seine Frau bekamen den Leo-Baeck-Preis, der jedes Jahr vom Zentralrat Der Juden In Deutschland verliehen wird. Leo Baeck war ein bekannter Rabbiner (1873-1956), der im ersten Weltkrieg als deutscher Feldrabbiner gedient hatte, seit 1922 als Vorsitzender des Allgemeinen Rabbinerverbandes in Deutschland und nach 1933 als Vorsitzender der Reichsvertretung der deutschen Juden amtierte. In Theresienstadt, wohin er 1943 deportiert wurde, sorgte er als Mitglied des Ältestenrates im Lager vor allem für die Vermittlung von jüdischem Wissen. Ihm zu Ehren wurde 1954 in New York das Leo Baeck Institut gegründet, das sich mit der Geschichte der deutschen Juden beschäftigt. Die Laudatio auf Berthold und Else Beitz wurde von Paul Spiegel gehalten, dem frisch gewählten Präsidenten des Zentralrats der deutschen Juden, pardon: der Juden in Deutschland. Spiegel sagte u.a.: “Sie beide haben Menschlichkeit zum obersten Gebot ihres Handelns gemacht. Ihnen, Herr Professor Beitz und Frau Dr. Beitz, danken die Juden, ja die Juden der ganzen Welt für ihr mutiges und engagiertes Handeln in der Zeit der Barbarei…” Zum Schluß seiner Rede sagte Paul Spiegel noch einmal: “Es ist für den Zentralrat der Juden in Deutschland eine außerordentlich große Freude, Ihnen, sehr geehrter Herr Professor Beitz, und Ihnen, liebe, verehrte Frau Dr. Beitz, mit der Verleihung des Leo-Baeck-Preises einen kleinen Teil des Dankes abzustatten, den wir ihnen in so großem Maße schuldig sind.”

Natürlich ist es richtig, wenn Juden damit anfangen, ihre historischen Schulden bei den Deutschen zu begleichen, und sei es nur auf eine symbolische Weise. Trotzdem: ich mag nicht, daß Paul Spiegel in meinem Namen spricht, denn bis jetzt habe ich alle meine Angelegenheiten noch immer selbst geregelt.

berlin, 21.2.2ooo

sehr geehrter herr spiegel

eben habe ich den vollständigen text ihrer rede zu ehren von frau und herrn beitz gelesen und hätte in diesem zusammenhang eine kleine bitte an sie:

es wäre sehr freundlich und rücksichtsvoll von ihnen, wenn sie demnächst bei ansprachen, in denen sie “die juden in deutschland, ja die juden der ganzen welt” vertreten, einschränkend sagen würden: “außer im namen von henryk m. broder…”

ich weiß nicht, woher sie das mandat haben, im namen aller juden der welt zu sprechen, es mag ja eine urabstimmung stattgefunden haben, die ich übersehen habe, ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, meine stimme jemals an sie delegiert zu haben. bis jetzt habe ich immer für mich selbst gesprochen, und das soll auch so bleiben.

ich wäre ihnen sehr dankbar, wenn sie mir diese kleine absprache zwischen und bestätigen würden.

mit allen guten wünschen von berlin ins rheinland

stets ihr

Düsseldorf, 9.3.2000

Sehr geehrter Herr Broder,

Ihr Fax vom 21.02. kann ich aus zeitlichen Gründen leider erst heute beantworten.

Natürlich freue ich mich, wenn Sie Äußerungen von mir in der Öffentlichkeit beachten, ja sogar beurteilen. Ich konnte selbstverständlich nicht annehmen, dass ich bei meinem Dank an das Ehepaar Beitz für deren gefahrvolle Rettung von Juden nicht auch in Ihrem Namen sprechen durfte. Ich werde aber künftig Ihrem Wunsch Rechnung tragen. Dabei kann es natürlich vorkommen, dass ich zu Herrn Haiders Aussagen Stellung nehme und dabei darauf hinweise “außer im Namen von Henryk M. Broder”.

Im Übrigen würde ich es sehr begrüßen, wenn wir in absehbarer Zeit Gelegenheit zu einen persönlichen Gespräch haben werden.

Mit besten Grüßen,

Paul Spiegel Präsident

berlin, 15.3.2ooo

sehr geehrter herr spiegel,

vielen dank für ihr fax vom 9.3.; ja, ich wäre ihnen sehr verbunden, wenn sie auch bei äußerungen über haider nicht in MEINEM namen sprechen würden, denn, wie sie der beiliegenden kolumne aus dem tagesspiegel entnehmen können, bin ich durchaus in der lage, auch in sachen haider für mich selbst zu sprechen. im übrigen ist mir nicht klar, warum sich der zentralrat überhaupt zu haider äußern sollte, es sei denn, sie wären der meinung, friedmans teilnahme an der wiener anti-haider-demo war noch nicht peinlich genug und es hätten noch immer nicht alle aussis kapiert, daß haider ein primär jüdisches und kein österreichisches problem ist. denn genau das ist die botschaft, die friedmans auftritte und ihre erklärungen kommunizieren.

im übrigen wäre es nicht verkehrt, wenn sie - und sei es nur privat - den großen kulturschaffenden arur brauner zurechweisen würden, der kohl mit den opfern des nazi-regimes vergleicht. finden sie nicht auch, daß hier eine unzulässige verharmlosung der nazis vorliegt, gegen die einspruch erhoben werden sollte?

in der hoffnung, daß sie keine mark für kohl gespendet haben verbleibe ich mit besten grüßen

1.4.2000

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