Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

28.07.2000   13:03   +Feedback

Der Schmock der Woche: Rolf Eden

Wer das alte Westberlin erleben möchte, das es eigentlich nicht mehr gibt, sollte in den “Zwiebelfisch” am Savignyplatz gehen. Da sitzen die mumifizierten Altkader der ehemaligen Frontstadt und jammern sich gegenseitig vor, wie schön es in den 7oer und 8oer Jahren in “Baalin” war, als es außer dem “Zwiebelfisch” nur noch “Franz Diener” und “Terzo mondo” gab und alles, was man über die Welt wissen mußte, im “Spandauer Volksblatt” zu lesen war. Es waren auch die besten Jahre von Harald Juhnke, Edith Hanke und Wolfgang Gruner, die als “Berufsberliner” den Rest der Republik mit porösen Humorimitaten quälten. Einer, der damals schon den Berliner Muff verkörperte und heute noch immer frei herumläuft, ist der Diskobetreiber und Playboydarsteller Rolf Eden, von dem immer wieder gesagt wird, er habe mehr Bräute aufs Kreuz gelegt, als es Imbißbuden in Berlin gibt Das heißt, Rolf Eden behauptet es, und die Berliner Zeitungen drucken es brav nach. Inzwischen ist Eden 7o Jahre alt (es können auch 8o sein) und so oft und schwer geliftet, daß er beim Grinsen aufpassen muß, daß ihm die Ohren nicht abfallen. Was ihn nicht daran hindert, damit zu prahlen, wie oft er es noch bringt und wie scharf die Weiber auf ihn sind. Und wenn nicht auf ihn, dann auf sein Cabriolet, einen Rolls Royce Corniche, mit dem er den Ku’damm rauf - und runterfährt, bis ihm oder dem Rolls die Puste ausgeht, denn beide sind schon ziemlich betagt.

Eigentlich kein Cabrio-Sommer

Aber: es gibt eine höhere Gerechtigkeit, auch ein Millionär und Playboy bekommt nicht immer alles, was er haben möchte. Es nieselt und regnet immerzu, und Rolf Eden friert sich in seinem Cabrio den gelifteten Arsch ab. Nein, dieser Sommer meint es nicht gut mit ihm. Wenn er im weißen Anzug und offenem Verdeck durch die Stadt rollt, hört man seine Zähne klappern und die Ventile flattern. Und die Tauben machen sich einen Spaß daraus, ihm ins Auto zu scheißen, was nicht fair ist, weil sie sogar im Tiefflug schneller sind als er im vierten Gang. Der einzige Trost ist, daß Andreas Kurtz, der Gesellschaftsreporter der Berliner Zeitung, ihm hinterher fährt, um über die wetterbedingten Leiden des alten Ladykillers zu berichten. Bald ist der Sommer vorbei, dann kann Rolf seinen Rolls wieder einmotten und sich überlegen, wie er über den Winter kommt. Im “Zwiebelfisch” hinterm Kachelofen ist noch ein Plätzchen frei.

28.7.2000

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