Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

28.07.2000   13:04   +Feedback

Ein GAU beim ZDF

Es sind oft Paare, die Geschichte machen: Adam und Eva, Hermann und Dorothea, Gretchen und Faust, Leonce und Lena, Tristan und Isolde.

Das war so und das ist noch immer so. Nur heißen die Paare heute;

Caroline und Ernst-August, Jenny Elvers und Heiner Lauterbach, Dieter Bohlen und Naddel, Jürgen Drews und Ramona, Siegfried und Roy.

Die Entwicklung geht also eindeutig von dramatisch-tragisch zu kinky-bizarr. Leonce und Lena wären heute nicht einmal “taff”-tauglich, während es völlig unmöglich ist, das Fernsehen einzuschalten, ohne das grenzdebile Feixen von Jürgen Drews und die silikongefüllten Kugeltitten seiner Frau Ramona vorgeführt zu bekommen, eine Mischung, die einem nicht nur den Abend verdirbt, sondern auch den Wunsch nach der sofortigen Wiedereinführung der Prügelstrafe wachruft. Das einzig tröstliche an der Paare-Parade aus Adel, Irrenhaus und Showbiz ist der Umstand, daß sie sich beim Quotenwettlauf gegenseitig ausbremsen. Kaum hat Ernst-August die türkische Ehre besudelt, hat Jenny Elvers schon einen frischen Stecher und Dieter Bohlen einen neuen Haarschnitt. Und “exclusiv” von RTL ist immer dabei.

Wer da mithalten will, muß sich was einfallen lassen. Wobei es in bestimmten Marktsegmenten nicht auf die äußere Schönheit, sondern auf die inneren Werte aufkommt. Während die Prols bei Big Brother schwitzen, zittern die Gebildeten um das Literarische Quartett. Denn Sigrid und Marcel können es nicht miteinander, und leider gestatten es die Spielregeln nicht, daß einer der beiden von den Zuschauern rausgewählt wird. So betrachtet, ist Big Brother dem Literarischen Quartett als basisdemokratisches TV-Modell weit voraus.

Sigrid und Marcel - wie das schon klingt! Wie ein Nibelungenlied im Blätterteig, wie eine Sonnenwendfeier bei Ballermann, wie ein Stück Knäckebrot mit Schimmelkäse. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn die beiden voneinander lassen würden. Nach dem Fiasko bei der Europameisterschaft und dem Milliardenflop bei der Expo können wir uns in diesem Jahr eine dritte Katastrophe nicht leisten.

Am Anfang war, wie immer, das Wort. Im Literarischen Quartett vom 3o. Juni waren Sigrid und Marcel, wie üblich, nicht einer Meinung. Bald darauf erschien in der BUNTEN ein Interview mit Marcel, in dem er über Sigrid u.a. sagte: “Die Zusammenarbeit mit Frau Löffler ist eine Qual.”

Das fand Sigrid gar nicht komisch, und Marcel erklärte, er habe der BUNTEN “überhaupt kein Interview” gegeben und zugleich der Illustrierten vorgeworfen, sie habe das Gespräch mit ihm “auf haarsträubende Weise entstellt”. So rum oder so rum: Sigrid schmollte und Marcel sagte, er sei “zur Versöhnung bereit”.

Doch da legte die BUNTE nach und veröffentlichte im Internet den unredigierten Wortlaut des Interviews, das nicht stattgefunden hatte. Und da war auch ein Satz zu lesen, den die BUNTE in ihrer Printfassung nicht gebracht hatte: “Ich kann das Weib nicht ertragen. Das ist ein widerliches, niederträchtiges Weib.” Worauf sich alle in Schweigen hüllten. “Wir haben eine absolute Nachrichtensperre vereinbart”, sagte der zuständige ZDF-Redakteur, Manfred Eichel.

Nachrichtensperre - als wäre ein UFO bei Mainz gelandet, ein Atommeiler bei Wiesbaden explodiert oder ein ICE bei Rödelheim entgleist, und als käme es vor allem darauf an, den Ausbruch einer Panik zu verhindern. Trotz der “Nachrichtensperre” ging der Krieg der Knöpfe weiter. Hellmuth Karasek sagte dem STERN, Sigrid wäre, was erotische Literatur angeht, eine “Gouvernante”, Eichel sagte der GALA, Marcel werde “Worte des Bedauerns” an Sigrid richten, während Karasek über den größten anzunehmenden Unfall spekulierte: “Wenn einer von uns dreien abspringt, wäre dies das Ende.”

Das Ende wovon? Des öffentlich-rechtlichen Systems? Der NATO? Der Kilometerpauschale? Oder nur einer Sendung, die seit 12 Jahren läuft und mittlerweile so ausgeleiert ist wie ein Kugellager in einem Opel Kadett der ersten Serie?

Und was könnte passieren, wenn “das Ende” eintreten würde? Karasek würde ein Buch mit dem Titel “Das Quartett” schreiben: Wie es in den Kulissen der Sendung wirklich zuging. Sigrid hätte endlich Zeit, zum Friseur zu gehen, um sich einen ordentlichen Haarschnitt verpassen zu lassen. Anschließend würde sie sich bei den Teletubbies als Sprecherin bewerben. Nur Marcel müßte seinen Marktwert neu evaluieren. Vor kurzem war er zu einer Talkshow bei einem Kölner Sender eingeladen. Er verlangte 2o.ooo.- Mark Honorar. Der Sender war bereit, 15.ooo.- zu zahlen. Marcel lehnte ab. So billig wollte er sich nicht hergeben. Die Talkshow wurde ohne ihn gesendet. Ein GAU fand nicht statt.

Und das nächste Paar steht schon bereit, um in die Geschichte einzutreten und gute Laune im Lande zu verbreiten: Sir Peter und Verona, die Flitzer von Hannover.

28.7.2000

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