Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

11.09.2000   13:03   +Feedback

Der Schmock der Woche: Norman Finkelstein und Eva Schweitzer

Kaum ist Daniel Goldhagen in der akademischen Versenkung verschwunden, aus der kurz aber heftig mit Hilfe eines deutschen Verlages aufgetaucht war, macht ein anderer US-Jude Schlagzeilen in der Bundesrepublik: Norman Finkelstein. und sein Buch über die “Holocaust-Industrie”. Es wird überall rezensiert, doch nur wenige Kritiker zeigen sich von dem Werk angetan. Im Gegensatz zu Sunnyboy Goldhagen wird Finkelstein als das erkannt, was er ist: ein armer Schlucker, der sich seinen Anteil am “Shoah-Business” sichern möchte, indem er gegen die “Holocaust-Industrie” zu Felde zieht. Alles, was es über “Finkelsteins Furor” zu sagen gibt, hat Alan Posener in der “Welt” gesagt: “Dort, wo Finkelstein Recht hat, sagt er nichts Neues; dort , wo er Neues sagt, hat er Unrecht.” Mit anderen Worten: Natürlich gibt es eine Holocaust-Industrie, in den USA ebenso wie in Deutschland. Nur ist sie nicht das Ergebnis einer Verschwörung der “jüdischen Eliten”, wie Finkelstein es darstellt, sondern ein Joint venture von Juden und Nichtjuden, die den Holocaust wie einen Steinbruch ausbeuten.

Interessant an Finkelstein ist nicht, was er sagt, sondern welches Bedürfnis er befriedigt. Wenn man den Holocaust schon nicht leugnen darf (wie Irving) und die Juden nicht verantwortlich machen kann für die Maßnahmen, die nötig waren, um ihren Einfluß einzudämmen (wie Nolte und Musal), dann tut es wenigstens gut, sie als die eigentlichen Nutznießer des Holocaust zu entlarven. Und wenn man dafür einen US-Juden als Kronzeugen aufrufen kann - um so besser

So hat Finkelstein eine kleine Nische gefunden, aus der heraus er sein historisches Catering betreibt. Ziemlich erfolglos in den USA, sehr erfolgreich in England und mäßig beachtet in der Bundesrepublik.

Hier fiel eine Geschichte vollkommen aus dem Rahmen, eine ungewöhnlich fürsorgliche Stellungnahme im Feuilleton der “Berliner Zeitung” von Eva Schweitzer am 28. August 2ooo. Es ging um Reaktionen bzw. Nicht-Reaktionen auf Finkelstein in den USA; da würde sein Buch auf eine “Mauer des Schweigens” stoßen, es stünde “praktisch auf der Schwarzen Liste”. Dies komme daher, meinte Eva Schweitzer, erst 42 und schon total verdorben, “daß viele US-Medien… jüdische Chefredakteure oder Geschäftsführer haben”. Finkelstein, selber Jude, würde so zum Opfer der “Holocaust Correctness”, hinter der “jüdische Organisationen” steckten, die “die Kontrolle über den politischen Diskurs über den Holocaust” nicht verlieren möchten.

Frau Schweitzer, bis Juli dieses Jahres Redakteurin im Lokalressort des “Tagesspiegel” und “von dem Thema völlig unbeleckt” (Lokalchef Lorenz Maroldt), machte sich für ein Werk stark, an dessen Entstehung sie beteiligt war, ohne diese Kleinigkeit ihren Lesern mitzuteilen. In den “Acknowledgements” zu seinem Buch bedankt sich Norman Finkelstein ausdrücklich bei Eva Schweitzer für ihre Kritik an “verschiedenen Entwürfen” seiner Arbeit. Das wiederum findet die Finkelstein-Kombattantin “ein bißchen übertrieben”, sie habe nur “ein paar Sachen rübergefaxt, was übersetzt und die erste Fassung gelesen”. Das Ganze “ist ein psychologisches Ding”, Finkelstein sei “ein Typ, der jemand braucht, der ihn beschützt und ich bin für ihn so eine Art Ersatzmutter, er fordert das auch heraus und man möchte nicht unnett sein”.

Inzwischen neigt Eva Schweitzer zu einer realistischeren Selbsteinschätzung: “Ich verstehe von diesen Sachen nicht viel, ich bin Journalistin und keine Historikerin”, ihr Einsatz für Finkelstein liege “am Rande dessen, was man als Journalist machen soll”.

Im August ist sie von Berlin nach Brooklyn gezogen. Wo auch Norman Finkelstein lebt und wo es ganz viele jüdische Waisen gibt, die dringend eine deutsche Ersatzmutter brauchen.

11.9.2000

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