Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
28.10.2000 13:04 +Feedback
Aber nun soll’s wieder bergauf gehen, per aspera ad astra, wie die Gebildeten sagen, durch den Staub zu den Sternen. Ende September gaben das Goethe Institut und Inter Nationes ihre Vermählung bekannt. “Die neue Institution wird den Namen Goethe-Institut Inter Nationes tragen”, was wie Leutheusser-Schnarrenberger, Däubler-Gmelin, Wieczorek-Zeul, Müller-Lüdenscheid und Nordhäuser Doppelkorn klingt, nur ein wenig anspruchsvoller. Goethe-Präsident Hilmar Hoffmann sagte nach der vollzogenen Trauung: “Diesen Tag wird man sich im Kalender rot anstreichen müssen”, der Inter Nationes Vorstand Peter Sötje sagte, man habe “Mut zur Innovation” bewiesen, der Goethe-Generalsekretär, Joachim Sartorius, sagte: “Die Fusion eröffnet neue operative Möglichkeiten…, die gesteigerte Kompetenz… gibt unserer Arbeit zusätzliche Legitimation.”
Solche Fanfarenstöße hatte man seit der Zusammenlegung der Reichsbahn mit der Bundesbahn zur Deutschen Bahn nicht mehr gehört. Dabei hatten Goethe und Inter Nationes schon lange miteinander kooperiert, zum Beispiel beim Einkauf der Bücher für die Goethe-Bibliotheken. Sowohl Goethe wie Inter Nationes waren rechtlich als eingetragene Vereine organisiert, Goethe wurde vom Auswärtigen Amt finanziert und kontrolliert, Inter Nationes vom Bundespresseamt. Goethe hatte weltweit etwa 3.3oo Mitarbeiter, Inter Nationes rund 15o Mitarbeiter in Bonn.
Und daran wird sich auch nach der “Fusion” zwischen der rheinischen Maus und dem bayerischen Löwen nichts ändern. “Die Standorte in München und Bonn bleiben bis mindestens 2oo5 erhalten. Für die Mitarbeiter wird es keine fusionsbedingten Kündigungen geben. Die Zahl der Umzüge wird auf ein Minimum reduziert”, hieß es in der Heiratsanzeige.
Mit anderen Worten: alles bleibt, wie es ist. Nur die Leitung des neuen Instituts wird ein wenig verbreitert, damit die Vertreter beider Seiten nicht zu kurz kommen.
So also sieht die Optimierung auswärtiger deutscher Kulturpolitik aus. Aus zwei Apparaten, die vor allem damit beschäftigt waren, ihr eigenes Überleben zu sichern, wird ein Apparat gemacht, der vor allem damit beschäftigt sein wird, sein eigenes Überleben zu sichern. Und über allem thront Hilmar Hoffmann (“Kultur für alle”), der vor zehn Jahren bereits das Rentenalter erreicht hat, dem aber das Kutschenfahren so viel Spaß macht, dass er nicht vom Bock steigen mag. Nur sein General-Sekretär, der Lyriker Joachim Sartorius, hat sich davon gemacht, statt die “neuen operativen Möglichkeiten” auszuprobieren. Er wird der neue Leiter der Berliner Festspiele. Und Goethe sucht einen neuen General-Sekretär.
Ein historischer Moment, eine einmalige Gelegenheit, dachte ich mir, um eine weitere Mega-Fusion in die Wege zu leiten.
lieber herr franke,
erst mal herzlichen glückwunsch zu der erfolgreichen fusion von goethe und inter nationes. ich habe mir den tag, dem tagesbefehl von präsident hoffmann folge leistend, in meinem kalender rot angestrichen. nach der gescheiterten fusion der deutschen bank mit der dresdner bank und der abgesagten fusion der frankfurter börse mit der londoner börse war dies endlich mal eine gute nachricht von der vereinigungsfront. ich schreibe ihnen jedoch aus einem anderen grund. wie ich presseberichten entnommen habe, soll demnächst der posten des generalsekretärs neu besetzt werden. ich möchte mich für diese position bewerben und bitte sie darum, meine bewerbung an die zuständigen stellen weiter zu leiten. was meine qualifikation für dieses amt angeht, darf ich folgendes anmerken: ich habe das abitur, spreche einige sprachen und reise gerne, wobei ich weder unter flugangst leide noch seekrank werde. ich kann ein buch von einer videokassette unterscheiden, verstehe nichts von verwaltung, bin mit joschka fischer per du und sehr dafür, dass deutsch sich als weltsprache durchsetzt. ich kann eigenhändig telefonieren, faxe verschicken, e-mails schreiben und die farbpatrone in meinem drucker wechseln. wie sie sehen, erfülle ich die wichtigsten voraussetzungen für eine kulturelle führungsposition. im falle meiner ernennung wird man diesen tag ebenfalls rot im kalender anstreichen müssen. ich wäre ihnen sehr dankbar, wenn sie sich dafür verwenden könnten, dass über meine bewerbung bald entschieden wird, da ich im falle einer ablehnung mich beim IOK als nachfolger von herrn samaranch bewerben möchte. unnötig zu sagen, dass ich viel lieber meine talente in den dienst der deutschen kulturpolitik stellen würde. mit dank für ihre hilfe und vielen grüßen
ihrhmbroder
Lieber Herr Broder,
ich muss Ihnen offen gestehen: Ihre Bewerbung werde ich nicht weiterreichen - und zwar, weil Sie zu große Chancen hätte. Sie müssen verstehen, dass ich hier ganz primitiv mein Eigeninteresse ins Spiel bringe. Ich bin bereit, alles, wirklich alles für die deutsche Auswärtige Kulturpolitik zu opfern, aber Pressesprecher von Henryk M. Broder - das kann keiner von mir verlangen!
Viel Spaß beim IOK und beste GrüßeIhr Franke
lieber herr franke,
vielen dank für ihre rasche antwort. ich habe das allergrößte verständnis für ihr eigeninteresse und würde an ihrer stelle genauso handeln. nur müssen in der situation, in der sich das goethe-institut zur zeit befindet, eigeninteressen zugunsten des gesamtwohls zurückgestellt werden. ich glaube nicht, dass sich das goethe-institut leisten kann, meine bewerbung ungeprüft abzulehnen. wenn sie, lieber herr franke, aus eigennützigen gründen mein selbstloses angebot nicht weiter reichen wollen, werde ich mich direkt bei der personalabteilung bewerben. mit einem hinweis darauf, dass sie nicht bereit waren, sich in der sache zu engagieren. ansonsten hoffe ich, dass es ihnen gut geht und sie nicht nach bonn umziehen müssen.
beste grüße ihr b.
...heißt das, dass Ihre erste Amtshandlung als Generalsekretär die fristlose Kündigung des Pressesprechers sein wird?
Verstörte Grüße bf
... ich würde diese option von vorneherein nicht ausschließen. es liegt ganz an ihnen und ihrer kooperationsbereitschaft.
lotta continua!b.
lieber herr franke,
ich finde es wirklich mehr als bedauerlich, dass sie meine bewerbung zu den akten gelegt und die causa abgeschlossen haben. wenn sie herrn hoffmann ernst nehmen, dann habe auch ich einen anspruch darauf, ernst genommen zu werden. schließlich bin ich es, der steuerzahler, der die aktivitäten von herrn hoffmann finanziert. ich habe mir, wie angeordnet, den “tag der wende in der deutschen auswärtigen kulturpolitik” in meinem kalender rot angestrichen, ich weise überall, wo ich hinkomme, auf die “neuen operativen möglichkeiten” hin und auch die “gesteigerte kompetenz” in ihrem eigentlichen geschäft, “dem internationalen dialog der kulturen” und muss dabei feststellen, dass sie weder innovativ noch dialogfähig sind. wie ich höre, sind ein paar amtsmüde intendanten und kulturdezernenten, die bis zur verrentung beschäftigt sein wollen, als kandidaten für den posten des generalsekretärs im gespräch. nun gut, wenn sie es nicht anders wollen. sie haben ihre chance gehabt.
ich bin nicht nachtragend. ich werde mich nun für den posten des bundestrainers beim dfb bewerben und nach meiner wahl als erstes ein benefizspiel zugunsten des neuen goethe-instituts ansetzen. wären sie bereit, eine goethe-mannschaft zusammen zu stellen, natürlich mit hilmar hoffmann als kapitän? ort und zeit der partie könnten sie bestimmen. auch diesen tag wird man sich im kalender rot anstreichen müssen.
mit der bitte um eine baldige entscheidungihr broder
Lieber Bewerber,
eine wichtige Qualifikation bringen Sie mit, die nötige Penetranz. Intendanten und Kulturreferenten haben sowas meist gar nicht drauf, sondern lernen das bei uns - oder in der Bundesliga. Wir sind denn jetzt doch sehr ärgerlich, dass uns der DFB wohl den Völler vor der Nase wegschnappt.
Und ich wechsle wohl nun einfach mal die Seite, weil mir Ihre Bewerbung doch zu stark wird. Es muss nur noch eine bedeutende Figur der Zeitgeschichte, sagen wir: ich!, ganz unaufgefordert die deutsch-polnisch-jüdische Frage aufwerfen und sie sind’s. Wie Sie wollen: Präsident oder Generalsekretär. Aber Achtung: elder statesmen mit Behinderung (gerne Rollstuhlfahrer) haben immer Chancen!
Ich denke jedenfalls, dies ist der Beginn einer wundervollen Freundschaft und hätte da noch eine Frage wegen meiner BAT-Einstufung.
Stets IhrFranke
lieber herr franke,
vielen dank für ihre antwort, die mir vor allem zeigt, wie ernst die situation ist. ich verstehe ja, daß zur zeit alle nerven im hilmar-hoffmann-institut blank liegen - ausgabenstopp, drohende insolvenz, letzte rettung: die kaffeekasse - aber das kann alles kein grund sein, die ethnische karte auszuspielen. ich weiß nicht, was sie genau mit der “deutsch-polnisch-jüdischen frage” sagen wollen, die sich bis jetzt zwischen uns nicht gestellt hat, ich kann es nur ahnen. ich fürchte, wie überall in der republik wartet auch in ihrer zentralverwaltung unter einer dünnen schicht von multi-kulturalität ein ressentiment darauf, von der leine gelassen zu werden. meine “penetranz” - sie hätten auch “chuzpe” sagen können - ist offenbar der katalysator.
dabei wollte ich doch nur helfen, wie neulich, als ich auf eigene kosten nach island gefahren bin, um im goethe-zentrum in reykjavik, das ihnen besonders am herzen liegt, einen vortrag zu halten. aber bitte, wenn sie meine hilfe nicht haben wollen und statt dessen auf eine bewerbung von herrn schäuble hoffen - sie werden genau das bekommen, was sie verdienen, ganz unabhängig von ihrer BAT-einstufung. ich werde mich derweil als kaffeesatzleser beim bundesfinanzministerium bewerben, wo man grade jemand sucht, der den kurs des euro vorher sagen kann. ich sehe da gewisse parallen zur entwicklung in ihrem haus.
was ich ihnen übrigens schon lange sagen wollte: ich finde es echt super, daß sie die herren dr. brenner und dr. seligmann in goethes namen auf eine ausgedehnte südamerika-tour geschickt haben, um in buenos aires, la paz, montevideo und santiago de chile über “deutsch-jüdisches zusammenleben” und “jüdisches selbstverständnis in deutschland seit 1945” zu referieren. das sind genau die themen, über die die menschen in argentinien, bolivien, uruguay und chile schon immer alles wissen wollten. noch mehr super fände ich es allerdings, wenn sie einen schwarzen angolaner, den es nach cottbus oder guben verschlagen hat, auf eine vortragstour durch afrika schicken würden, um über “deutsche und ausländer in den neuen bundesländern” und “die lage der ausländer in deutschland seit 199o” zu sprechen. ich fürchte allerdings, sie werden auch diese anregung nicht aufnehmen, nur weil sie von mir ist.
stets ihrbroder
28.10.2000
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