Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

02.09.2000   13:06   +Feedback

Das Zlatko-Prinzip

Wie man den Rechtsextremismus effektiv bekämpfen und zugleich die Expo retten könnte

Birgit Breuel, die Chefin der Expo, bekommt ein Jahresgehalt von 8oo.ooo.- Mark plus 5oo.ooo.- Aufwandsentschädigung, macht zusammen 1,3 Millionen Mark jährlich. Im ersten Moment klingt das nach sehr viel Geld, ist es aber nicht, wenn man bedenkt, was Frau Breuel so leistet. Sie steht jeden Tag um vier Uhr auf, spielt den ganzen Tag die Grüßaugustine, muß dem Prinzen von Hannover die Hand geben, sich von Wibke Bruhns nachsagen lassen, “ihre Liebenswürdigkeit” erschließe sich “nicht jedem auf Anhieb”, alle Berichte über die Expo lesen und wird trotzdem am Ende abgewatschelt, weil die ganze Kiste grade mal zweieinhalb Milliarden Miese einfährt. Undank ist der Welten Lohn, da sind 1,3 Millionen Mark kein pompöses Gehalt sondern bestenfalls bescheidenes Schmerzensgeld.

Ganz anders dagegen Zlatko, dessen Nachnamen noch immer niemand kennt. Der schläft bis zum Mittag, hat eine Agentur, die ihn total betreut, Millionen von Fans in der ganzen Republik und kann es sich inzwischen leisten, der Bundesregierung mitzuteilen, er stehe für ihre Promi-Parade gegen den Rechtsextremismus “nicht zur Verfügung”. Mögen andere ihr “Gesicht zeigen”, Zlatko zeigt allen den Mittelfinger und macht, was er will. Denn Zlatko ist mit nur einem Song (“Ich vermiß dich wie die Hölle”), von dem 85o.ooo Stück verkauft wurden, Plattenmillionär geworden. Er hat mit einem Vierzeiler, den er so elegant vorträgt wie Angela Merkel ihre Kleider vorführt, ungefähr so viel eingenommen, wie Frau Breuel im Jahr verdient. Das mögen ein paar Moralisten unangemessen finden, aber die Verhältnisse sind nun mal so.

Frau Breuel repräsentiert die “old economy”, Zlatko dagegen die “new economy”. Auf der einen Seite ein gewaltiger Aufwand und ein ebensolches Defizit, auf der anderen Seite das Zlatko-Prinzip: Minimaler Aufwand und ein Riesengewinn. So muß es sein.

Man könnte sich nun fragen, wie die Sache von Input und Output aussehen würde, wenn Zlatko Chef der Expo wäre und Frau Breuel singen würde. Wahrscheinlich wäre das Defizit der Weltausstellung auch nicht größer, und Frau Breuel könnte einen Superhit landen, wenn sie nur einen Song singen würde, den ihr Stefan Raab auf den Leib schreiben müßte: “Niemand vermißt mich!” Was Regina Zindler geschafft hat, das schafft Birgit Breuel noch vor dem Frühstück.

Und auch Zlatkos Beispiel ließe sich weiter entwickeln. Er hat bewiesen, daß man nicht viel lernen und nicht viel wissen muß, um erfolgreich zu sein. Man muß nur, wie es heute heißt, “eine Perspektive haben”. Das ist es, was den meisten Jugendlichen fehlt, weswegen sie zwangsläufig ihre Wut an Ausländern auslassen. Hätten sie nur “eine Perspektive”, würden sie sich wieder ordentlich lange Haare wachsen lassen, die Springerstiefel in den Schrank stellen und Radio Multikulti hören. Hier sind nicht nur die Bundesregierung und die Gesellschaft gefordert, sondern vor allem die Macher von RTL 2. Das Konzept von Big Brother soll ausgebaut werden, u.a. soll es eine Folge nur für Dicke geben. Wie wäre es mit einer Folge für rechtsextreme Jugendliche? RTL 2, wo man bereits Naddel und Jürgen Drews erfolgreich resozialisiert hat, wäre für ein solches Projekt die richtige Instanz.

Es kann kein Problem sein, zehn Glatzen zu finden, die sich in einen Container einsperren lassen, wenn ihnen dafür genug Bier und eine “Perspektive” geboten werden, z.B. die Aussicht auf einen Plattenvertrag nach dem Ende der Show. Ein solches Programm wäre pädagogisch und perspektivisch sinnvoll und außerdem auch ein Beitrag zum inneren Frieden und zur öffentlichen Sicherheit.. Nicht nur wären zehn Glatzen zeitweise aus dem Verkehr gezogen, hunderte ihrer Freunde würden jeden Abend vor dem Fernsehen sitzen und Daumen drücken, statt Ausländer und Asylanten durch die Straßen Brandenburgs zu jagen. In Guben, Cottbus und Eberswalde würden sich die Bürger abends wieder auf die Straßen trauen und auch die Polizisten müßten keine Angst mehr haben, als Feiglinge im Dienst beschimpft zu werden.

Von Montag bis Freitag wäre Ruhe in der Republik.. Nur für die langen Wochenenden müßte noch eine Lösung gefunden werden. Auch hier käme das Zlatko-Prinzip - wenig Aufwand, maximale Wirkung - zum Einsatz. Freifahrten zur Expo mit Freibier unterwegs und Wettpinkeln am türkischen Pavillon um den Ernst-August-Preis, mit anschließendem Rundgang durch die Ausstellung.

2.9.2000

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