Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
30.01.2001 12:05 +Feedback
“Oasis Hotel Casino Resort” hieß der protzige Komplex im Las-Vegas-Stil mitten in der Wüste, genau gegenüber dem Akbat al-Jabar Flüchtlingslager. Bauherr
Das “Oasis Hotel CasinoResort” war das größteCasino im Nahen Osten(© Andre Brutmann)
und Betreiber war eine Gruppe von österreichischen und palästinensischen Investoren unter der Führung des Casino Austria International.
Palästinensern war der Zutritt verboten, dafür kamen jeden Tag rund 3000 Israelis; 2000 reisten mit eigenen Autos an, 1000 wurden kostenlos mit Bussen aus einem dutzend israelischer Städte zum Zocken in die Wüste gekarrt: Handwerker, Taxifahrer und Geschäftsleute mit unversteuertem Bargeld, Hausfrauen auf der Suche nach einem Abenteuer. Sie ließen jeden Tag durchschnittlich eine Million Dollar zurück, und es störte sie nicht, dass Arafats Autonomiebehörde mit rund 30 Prozent am Gewinn beteiligt war.
Das Casino war vermutlich der einzige Ort in ganz Palästina, in dem Israelis nicht nur willkommen, sondern auch vollkommen sicher waren. Ende Oktober letzten Jahres kamen auch andere Gäste: palästinensische Schützen, die vom
Dach des Casinos auf die nahe gelegene israelische Siedlung Vered Jericho feuerten. Die israelische Armee schoss zurück. Ziemlich beschädigt, musste das Casino seinen Betrieb einstellen: Rien ne va plus! Nichts ging mehr. Die israelische Psychologin Pnina Eldar, die zwei Zentren für die Behandlung von Spielsüchtigen betreut , sagt: “Das Oasis hat Hunderte von Familien zerstört. Wir habe jede Woche 20 Anrufe bekommen, verglichen mit sieben bis acht vor der Eröffnung des Casinos.” Doch mit dem vorläufigen Spielstopp in der Oase des Glücks am Rand von Jericho ist das Problem nicht vom Tisch.
Die israelischen Spieler besuchen jetzt öfter illegale Spielsalons in Tel Aviv und Jerusalem, wo sie noch gnadenloser abgezockt werden. Und sie beten, dass der Friedensprozess wieder in Gang kommt, damit das “Oasis Hotel Casino Resort” in Jericho wieder aufmachen kann, und sie ihr Geld dahin bringen können, wo sie zwar auch über den Tisch gezogen werden, aber auf eine feine, kultivierte Art. Mit Wiener Schmäh und Arafats Segen, sozusagen.
30.1.2001
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