Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

30.01.2001   12:05   +Feedback

Israel-Tagebuch, Tag 16: Hamburger für alle

In jedem halbwegs normalen Land hängt der Preis einer Ware oder Dienstleistung von den Herstellungskosten und von Angebot und Nachfrage ab. Nicht so in Israel. Hier ist einfach alles teuer. Zum Beispiel: Ich fahre in die Stadt, stelle den Wagen auf einem privaten Parkplatz ab, kaufe zwei Zeitungen und ein Wochenmagazin, bestelle einen Humus und eine Cola bei “Schemesch” in der Ben-Jehuda-Straße und fahre wieder heim.

Bei McDonald's in Tel Aviv

Bei McDonald’s in Tel Aviv(© Andre Brutmann)

Und schon hab ich 90 Schekel, das sind 45 Mark, ausgegeben: 30 Schekel für den Parkplatz, 28 Schekel für die Zeitungen und 32 Schekel für den Imbiss. Der gleiche Spaß würde mich in Berlin etwa die Hälfte kosten. Ich wäre gerne bereit, einen Jerusalem-Zuschlag zu zahlen, wenn ich nur wüsste, wofür.

Wie kommt es, dass spanische Tomaten in Israel billiger sind als die aus dem Negev? Woran liegt es, dass israelische Corn Flakes genauso teuer sind wie die originalen von Kelloggs? Jeder wundert sich, und keiner weiß eine Erklärung. Denn die israelische Ökonomie ist ein Mysterium. Letztes Jahr lag die Inflation bei genau null Prozent, war das Brutto-Sozialprodukt um fast sechs Prozent gewachsen. Jeder Wirtschaftsminister in Europa träumt von solchen Zahlen.

Aber irgendwas stimmt nicht. Die Einkommen sind halb so hoch wie in der EG, und fast alles ist doppelt so teuer. Eine Tafel Schokolade der Marke “Elite” kostet 6,50 Schekel, das sind rein rechnerisch 3,25 Mark, aber wenn man die Preise ins Verhältnis zu den Einkommen setzt, sind es mindestens 6,50 Mark.

Ähnlich kostbar sind auch Hamburger. “Jedioth Aharonoth” (Neueste Nachrichten), die größte Zeitung des Landes, druckte vor einigen Tagen den “Big Mac Index” aus dem “Economist” nach. Auf den Philippinen kostet ein Big Mac 1,06 Dollar, in Ägypten 1,63, in Europa durchschnittlich 2,44, in Japan 2,53, in den USA 2,55, in England 2,99 und in Israel: drei Dollar und zweiundfünfzig Cent. Das ist Weltspitze. Bei McDonald’s in Jerusalem, mitten im Zentrum in der Schamaistraße, kostet ein einfacher Big Mac nur 13,50 Schekel (6,25 Mark), wenn man ihn aber als McRoyal bestellt (mit Fritten und Cola), muss man gleich 28 Schekel (14 Mark) bezahlen.

Das kommt vermutlich daher, dass Hamburger auch eine politische Dimension haben. Tom Friedman, langjähriger Korrespondent der “New York Times” in Beirut, hat mal behauptet, es wären noch nie zwei Länder in einen Krieg verwickelt gewesen, in denen McDonald’s vertreten wäre. Es gibt inzwischen 80 McDonald’s-Filialen in Israel, aber nur einen “Wimpie”-Laden in Ramallah. Das ist nicht genug. Wenn die Friedman-Friedens-Formel hinhauen soll, muss es McDonald’s sein - das Original und sonst gar nichts.

30.1.2001

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