Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
30.01.2001 12:05 +Feedback
Heute ist Bill Clintons letzter Tag im Amt. Morgen wird George W. Bush als neuer Präsident der USA vereidigt. Wenn sich die Amerikaner an das doofe Grinsen des Texaners gewöhnt haben, werden auch die Israelis und die Palästinenser merken, was für eine Chance sie verpasst, verspielt, vertan haben. Wie kein anderer Präsident vor ihm hat Clinton versucht, zwischen den Israelis
Clinton bei einem seinerNahost-Besuche (1994)(© Andre Brutmann)
und den Palästinensern zu vermitteln, einen Kompromiss zu finden, der keine Seite ganz zufrieden gestellt, aber beiden einen ehrenvollen Ausstieg aus dem “Konflikt” möglich gemacht hätte.
Es ist müßig, darüber zu spekulieren, was Clintons Motive waren: die Hoffnung auf den Friedensnobelpreis oder seine christliche Einstellung, er ist gescheitert, weil sich Israelis und Palästinenser darauf geeinigt haben, ihn scheitern zu lassen. Es war so ziemlich das Einzige, worüber sie sich einig waren. Dabei hatte alles so schön angefangen, auf dem Rasen vor dem Weißen Haus, als Clinton den israelischen Ministerpräsidenten Jizchak Rabin auf Jassir Arafat zuschob, damit sie sich die Hand geben.
Zwei Jahre später wurde Rabin von einem frömmelnden jüdischen Fanatiker ermordet, und weil ein Unglück nie allein kommt, übernahm Bibi Netanjahu ein Jahr darauf die Regierung. Der hielt sich an kein Abkommen und keinen Vertrag und bewies ein großes Talent, immer neue Ausreden zu erfinden, warum die Palästinenser daran schuld sind, dass es mit dem Frieden nicht vorangeht. Wann immer ein paar nasse Wiesen der palästinensischen Autonomiebehörde übergeben werden sollten, gab es regelmäßig ein Riesenbohei. Und dann musste Dennis Ross anreisen oder auch Madeleine Albright, um zu vermitteln. Bibi war ein Trickser und ein Täuscher.
Mit der Wahl von Ehud Barak wurden die Rollen getauscht. Jetzt war es Jassir Arafat, der sich zierte und immer wieder “Nein” oder “So nicht” oder “Ja, aber” sagte. Denn Arafat reist sehr gerne, und am liebsten reist er nach Washington. Kein anderer “Präsident” war in den letzten Jahren so oft in Washington wie Arafat. Er hat sich den Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde längst erflogen. Genauso viel Spaß macht es ihm, bei jeder Rückkehr nach Gaza eine Ehrenkompanie abzuschreiten - old man’s delight. Hätte er endlich seinen Staat, wäre es mit dem Reisen und dem Paradieren vorbei, und er müsste sich um die Müllabfuhr und die Kanalisation kümmern. Was natürlich viel weniger Spaß macht.
Präsident Arafat hat Präsident Clinton vorgeführt, als würde eine Maus einem Elefanten sagen, wo’s lang geht. Und bald ist Ariel Scharon an der Reihe. Er kann es noch besser als Arafat. Nur: George W. Bush wird sich nicht vorführen lassen, weder von Arafat noch von Scharon. Er wird sich um amerikanische Interessen kümmern und den Wilden Osten sich selbst überlassen. Bis die Israelis und die Palästinenser merken, dass sie nicht so wichtig sind, wie sie es gerne wären. Alles Gute Bill, und danke, dass Sie durchgehalten haben. Auch wenn es vergeblich war. Schalom chawer!
30.1.2001
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