Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

30.01.2001   12:05   +Feedback

Israel-Tagebuch, Tag 19: Auch ein Kaktus ist ein Baum, unter dem man träumen kann

Woran ist Barak eigentlich gescheitert? “An sich selber”, sagt Robert, “er konnte nicht kommunizieren”. Was hat Barak falsch gemacht? “Er wollte alles auf einmal erledigen”, sagt Dani, “die Armee aus dem Libanon holen, Frieden mit Syrien schließen und den Konflikt mit den Palästinensern beenden, und dabei hat er sich übernommen”. Was wird Scharon besser machen?“Das wird sich zeigen”, sagt Noah, “wir wissen jetzt, was Barak nicht kann, was Scharon nicht kann, das wissen wir noch nicht.”

Wir werden es bald erfahren. Nach den letzten Umfragen führt Scharon vor Barak mit 47 zu 29 Prozent bzw. mit 51 zu 31 Prozent. Würde Scharon gegen Peres antreten, wäre der Abstand erheblich kleiner: 42 zu 39 Prozent zugunsten von Scharon. Und deswegen kämpft Barak nicht nur mit dem Rücken zur Wand, sondern auch gegen Scharon und einen Teil seiner eigenen Partei. Wenn Peres sich nicht ständig als Retter in der Not und Last-Minute-Kandidat anbieten würde, wäre der Abstand zwischen Barak und Scharon längst geschrumpft - sagen Baraks Freunde.

Barak sucht jetzt schon nach einem Sündenbock für den Tag nach der Wahl - sagen die Freunde von Peres. Er selbst soll sich bereit erklärt haben, das Land bis zu den Wahlen zu verlassen, um Barak nicht im Weg zu stehen. Zur Klarstellung: Sowohl Barak wie Peres gehören derselben Partei an, aber es ist keine richtige Partei, sondern ein Kindergarten, in dem erwachsene Männer herumalbern.

Außenminister Ben-Ami ist neulich zu einer Kabinetts-Sitzung nicht erschienen, er habe dringende Fototermine, die er nicht absagen könne. Tatsächlich war Ben-Ami beleidigt, weil nicht er sondern Peres zu Arafat nach Gaza reisen durfte. Bald darauf wurde Ben-Ami entschädigt: Er - und nicht Peres - flog zu einem Treffen mit Arafat nach Kairo. Und da machte Arafat den Vorschlag, man möge sich zu weiteren Verhandlungen in Taba am Roten Meer treffen. Da ist das Wetter besser und es gibt ein schönes Hotel direkt am Strand.

Unter solchen Umständen kann man es fast verstehen, dass sich unter israelischen Linken eine heitere Verzweiflung breit macht. Viele hassen Barak und Peres noch mehr als Scharon und hoffen, dass der Likud-Obmann die Wahlen gewinnt. Damit endlich etwas passiert. “Es muss alles noch schlimmer werden, bevor es wieder besser wird”, sagt Sarah, “wenn Scharon drankommt, wird der internationale Druck auf Israel zunehmen und die Linken im Lande werden sich zusammen tun”. Diese wunderbare Theorie hat in der Praxis noch nie funktioniert, aber in der Wüste ist ein Kaktus auch eine Art Baum, unter den man sich legen und träumen kann. “Es wird uns das gleiche passieren wie Österreich, als Haider an die Regierung kam”, sagt Robert. Damals hat Israel seinen Botschafter aus Wien abgerufen, jetzt könnten die Wiener zum selben Mittel greifen und ihren Botschafter aus Tel Aviv heimholen. Nur - wen würde so etwas schon stören?

30.1.2001

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