Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

13.02.2001   12:06   +Feedback

Keine Party ohne Paule!

Paul Spiegel

broder, berlin, 9.2.2oo1

herrnpaul spiegeldüsseldorf

lieber herr spiegel,

wie geht es ihnen? was machen sie so in diesen turbulenten tagen?

ich hatte gehofft, sie am dienstag in der jüdischen gemeinde bei der diskussion mit peter novick zu sehen, der sein buch “nach dem holocaust” vorstellte. leider waren sie verhindert. wie ich am nächsten tag den klatschspalten der berliner zeitungen entnehmen konnte, mussten sie an der verleihung der “goldenen kamera” teilnehmen, im rahmen der von ihnen mitgegründeten initiative gegen rechts “gesicht zeigen!”. ich habe für solche prioritäten volles verständnis. wenn ich einen smoking hätte, würde ich auch das bedürfnis haben, ihn gelegentlich vorzuführen.

aber wo waren sie am tag darauf, am mittwoch, als norman finkelstein sein buch “die holocaust-industrie” vor fast 1ooo besuchern in der “urania” präsentierte? außer einigen hundert hysterischen finkelstein-fans waren auch ein paar junge leute da, die nicht nur ihre gesichter zeigten. sie trugen transparente, auf denen sie finkelstein widersprachen:

“Holocaust-Industrie: Siemens, Deutsche Bank, IG Farben” und “Deutsche Täter sind keine Opfer”.

ich hatte fest damit gerechnet, sie bei der finkelstein-vorstellung zu treffen. ich hatte gehofft, sie würden aufstehen und aus dem publikum heraus ein paar richtige sätze sagen. ich hätte sie ihnen notfalls auf einem zettel aufgeschrieben. aber sie waren einfach nicht da. welche wichtige party stand am mittwoch in ihrem terminkalender? das goldene lenkrad? die goldene krawattennadel? der goldene turnschuh?

sie haben es ihrem ghostwriter rafael seligmann überlassen, finkelstein zu widersprechen, und der tat es so, wie eine maus einer schlange paroli bietet: durch wegducken. dafür grinste er hochmotiviert, sobald er sah, dass eine kamera auf ihn gerichtet war. eine spitzenleistung in der disziplin “gesicht zeigen!”

es ist mehr als bedauerlich, dass sich ihr beitrag zur finkelstein-debatte auf die äußerung beschränkt hat, es wäre besser, wenn das buch nicht erscheinen würde. der piper verlag hat daraus gleich einen pr-gag gemacht, allerdings ohne sie, herr spiegel, beim namen zu nennen.

vielleicht sollten sie wenigstens dagegen protestieren. denn beim “gesicht zeigen!” kommt es wirklich auf jedes komma an.

sehen wir uns bei der “goldenen untertasse”? weiterhin viel spaß beim “gesicht zeigen!”

ihr

gezeichnet: broder

Berlin, 12. Februar 2001

Lieber Herr Broder,

eigentlich vespüre ich sehr wenig Lust, Ihnen auf Ihre nicht gerade “höfliche” Anfrage zu antworten. Ich möchte Sie aber darüber informieren, dass ich es - nicht erst seit meinem Amtsantritt als Präsident des Zentralrats - zum Prinzip gemacht habe, nur an solchen Veranstaltungen teilzunehmen, zu denen ich eingeladen worden bin.

Weiterhin viel Spass an Ihrer Ironie, aber dennoch Dank für zahlreiche gute Beiträge von Ihnen, die ich lese, obwohl Sie anscheinend glauben, dass ich mich nur mit “unwichtigen” Angelegenheiten befasse.

Mit freundlichen Grüßen Ihr Paul Spiegel

13.2.2001

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