Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

17.05.2001   13:05   +Feedback

Gabi zieht in den Frieden

Wie die Vorsitzende der PDS den Konflikt im Nahen Osten lösen möchte

Drei Dinge sind es, die den Deutschen die Ruhe rauben: das Wetter, der Benzinpreis und der Frieden im Nahen Osten. Für das Wetter und den Benzinpreis können sie nix, da regieren höhere Mächte, aber für den Frieden im Nahen Osten fühlen sie sich verantwortlich. Denn erstens geht es darum, dass die Juden nicht wieder rückfällig werden und ihre Bewährung verspielen, zweitens sind die Palästinenser die Juden von heute und drittens wollen die Deutschen zeigen, dass sie - im Gegensatz zu den Juden - die richtigen Lehren aus der Geschichte gezogen haben. “Schwerter zu Pflugscharen”, “Frieden schaffen ohne Waffen” und die “friedliche Revolution” sind die Beweise für den historischen Wandel.

Man könnte dagegen halten, dass in einem Land mit “ausländerfreien Zonen”, in denen nicht mal Döner-Buden geduldet werden, der innere Frieden noch nicht ganz hergestellt ist und daran die Frage anschließen, ob es nicht besser wäre, erst einmal in Cottbus, Guben und Wurzen für friedliche Verhältnisse zu sorgen. Aber es wäre eine alberne Frage, denn der “deutsche Frieden” ist vor allem ein Exportartikel und nicht für den Binnenmarkt bestimmt, etwa so wie die “deutsche Wertarbeit” und der “deutsche Humanismus”.

So ist es zwar vollkommen gaga, hat aber eine innere Logik, dass sich die PDS Sorgen um den Frieden im Nahen Osten macht. Die Partei, die aus der SED hervorgegangen ist und jedem Stasi-Spitzel, von Heiner Fink bis Diether Dehm eine politische Heimat bietet, die sich zehn Jahre nach der Wende zu einem gequälten “Tut uns leid, kommt nicht wieder vor” für die Mauertoten und für die Unterwerfung der SPD durchgerungen hat, macht nun in Friedenspolitik. Zum Jahrestag der Gründung Israels hat die Vorsitzende der PDS, Gabi Zimmer, eine Erklärung heraus gegeben, die sich so liest, wie sie gemeint ist:

Presseerklärung der PDS zum Nahost-Friedensprozeß

Besonders anmutig ist der vorletzte Satz, der mit den Worten anfängt: “Ich fordere die Bundesregierung und die anderen europäischen Regierungen dringend auf…”; ja, auf eine solche Aufforderung haben die Bundesregierung und die anderen europäischen Regierungen seit langem gewartet, um endlich tätig werden zu können. Als nächstes müsste PDS-Gabi die deutsche und die europäische Wirtschaft dazu auffordern, zum Tauschhandel zurück zu kehren, und wenn sie damit Erfolg hatte, wird sie den Papst und die katholische Kirche aufrufen, sich für die freie Liebe, die Homo-Ehe und die Umwandlung der Sixtinischen Kapelle in eine multikulturelle Snack-Bar stark zu machen.

Mag sein, dass Gabi Zimmer zu jung, zu unschuldig oder zu ungebildet ist, um zu wissen, dass die DDR palästinensische Terroristen ausgebildet hat, die anschließend ihren Beitrag zur Befriedung des Nahen Osten leisteten, indem sie Israelis umlegten. Mag auch sein, dass sie vom staatlichen Antisemitismus der DDR keine Ahnung hat, weil sie sich nur an die Antifa-Umzüge im Rahmen der deutsch-sowjetischen Sportfeste erinnern kann. Es kann sogar sein, dass Gabi nicht einmal das Neue Deutschland liest und deswegen nicht mitbekommen hat, dass das Organ der PDS über den Nahen Osten so berichtet wie früher der “Völkische Beobachter” über die Nöte der Deutschen: “An allem sind die Juden schuld!” Doch egal, was sie weiß oder nicht weiß, sie setzt eine alte Tradition fort, aus dem Bauch heraus und mit einer Unschuld, die jeden Triebtäter auszeichnet.

Natürlich ist es richtig, Israel zu kritisieren und für seine Politik gegenüber den Palästinensern zu verurteilen. Wenn Israel wollte, könnte es den Konflikt einseitig innerhalb einer Woche beenden. Es müsste sich nur aus den besetzten Gebieten, die weder für die Sicherheit noch den Frieden ein Faustpfand sind, zurückziehen und zwei Erklärungen abgeben, eine an die Adresse der Palästinenser, eine an die Siedler in den besetzten Gebieten. Den Palästinensern müsste Israel sagen: “Wir lassen euch jetzt allein, machts gut, liebe Partner im Friedensprozess. Ihr seid jetzt für alles selber verantwortlich: die Telefonverbindungen, die Wasserversorgung, die Müllabfuhr. Ihr kommt nicht mehr zu uns arbeiten, und wir verzichten auf eure Arbeitskraft. Was immer ihr zum Leben braucht, wendet euch an eure arabischen Freunde, die Europäische Union oder an Gabi Zimmer beim PDS-Bundesvorstand im Karl Liebknecht Haus an der Kleinen Alexanderstraße in 1o178 Berlin.

Wir lassen euch in Ruhe und wir erwarten, dass ihr uns in Ruhe lasst. Ihr könnt machen, was ihr wollt, Bomben basteln, Busse überfallen, euch gegenseitig in die Luft jagen, aber macht es bei euch, nicht bei uns. Und Gnade euch Gott, wenn nur ein einziger Terrorist über die Grenze kommt. Wir werden es euch heimzahlen. Und wenn ihr euch gut führt, können wir in 3o bis 5o Jahren Verhandlungen darüber anfangen, unter welchen Bedingungen wir die Grenze wieder aufmachen, wie Süd- und Nordkorea heute. Alles Gute!”

Den Siedlern müsste etwa dies gesagt werden: “Tut uns leid, Leute, es war ein schwerer Fehler, euch in den besetzten Gebieten anzusiedeln. Ihr seid ein Sicherheitsrisiko, für euch selbst, für ganz Israel, für den Frieden. Wir hätten das auch schon früher erkennen können, aber wir waren dazu nicht in der Lage. Doch das kann kein Grund sein, mit der falschen Politik weiter zu machen. Ihr habt jetzt die Wahl: Bleiben oder gehen. Wir bieten jedem von Euch ein nagelneues Haus im Negev oder im Galil an, dazu einen VW Passat Kombi und 1oo.ooo.- Dollar bar auf die Hand. Das wird uns eine Menge kosten, aber es wird viel weniger sein, als uns die Fortsetzung des Konflikts kosten wird. Ihr habt eine Woche Zeit, ihr könnt das Angebot annehmen, ihr könnt es auch sein lassen. Dann bleibt ihr, wo ihr seid, in Tekoah in der judäischen Wüste, in Netzarim im Gaza Streifen, im jüdischen Viertel von Hebron, umgeben von Arabern, die nur darauf warten, mit euch abzurechnen, sobald die israelische Armee abgerückt ist. Ihr wollt es auf ein Pogrom ankommen lassen? Ihr könnt es haben, aber rechnet nicht damit, dass wir euch zu Hilfe kommen, wir werden allenfalls die Toten bergen und die Überlebenden versorgen. Ihr habt die Wahl, ihr müsst euch entscheiden.”

Über 9o% der Siedler würden so ein Angebot gleich annehmen, nur solche Knalltüten wie Moshe Levinger, Baruch Marzel und Eljakim Haetzni würden heldenhaften Widerstand leisten, um im letzten Moment auf den letzten israelischen Truppentransporter zu springen - so wie es schon einmal, beim israelischen Rückzug aus dem Sinai 1981, der Fall war.

Die Frage, warum Israel nicht in der Lage ist, den Konflikt auf diese Weise zu beenden, wäre in der Tat eine Überlegung wert. Wahrscheinlich deswegen, weil die Juden nicht so klug sind, wie es die Antisemiten irrtümlich annehmen. Und weil sie das “Überleben” seit viertausend Jahren üben und deswegen mit dem “Leben” nicht klar kommen. Man könnte auch eine internationale Intervention fordern, wobei man dann sowohl die Israelis wie die Palästinenser entmündigen müsste, was vermutlich die einzige vernünftige Option wäre.

Aber das ist es nicht, was Gabi im Sinn hat. Denn sie ist nicht nur eine Triebtäterin, sondern auch strunzdumm. Und wie alle dummen Leute glaubt sie, besonders schlau zu sein. Deswegen stellt sie die Frage, “wie lange die internationale Gemeinschaft dem völkerrechtswidrigen Vorgehen der israelischen Seite ... zusehen will”.

Ganz einfach, liebe Gabi, genau so lange wie die internationale Gemeinschaft dem Treiben der Russen in Tschetschenien zugesehen hat, wo die russische Armee Tausende von Menschen umgebracht und ganze Städte plattgemacht hat, was sie natürlich nur machen konnte, weil die PDS grade damit beschäftigt war, ein neues Programm zu entwerfen und sich deswegen nicht um das Recht des tschetschenischen Volkes auf ein Leben in Frieden, Selbstbestimmung und Würde kümmern konnte. So was soll nicht noch einmal passieren. Dafür wird die Gabi schon sorgen.

HMB, 17.5.2oo1

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