Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

18.06.2001   13:03   +Feedback

Ein Freund, ein guter Freund

Von Renée Zucker

Ein Besuch bei Elzbietta in Hamburg, der “Stiefmütterchenstadt”, wie sie immer ein wenig abschätzig sagt. “Wenn nicht all diese wunderbaren Musiker wären”, meinte sie nachdenklich, als wir aus ihrem Küchenfenster schauten, ” dann wär`s doch insgesamt ein bisschen zu aufgeräumt hier”. Ich persönlich finde zwar die Gegend um den Altonaer Bahnhof nicht gerade ein Paradebeispiel für blitzblanke Sauberkeit, aber als wir dann später durch Eppendorf flanierten, wo all diese netten, frischen, wohlhabenden Hamburger leben und arbeiten, da verstand ich meine Freundin.“Nicht dass du denkst, ich hielte mich immer hier auf”, entschuldigte sie sich fast, “ich wollte dir nur mal zeigen, dass es viel schönere Geschäfte gibt als in Berlin”, womit sie absolut recht hatte. Aber das ist natürlich nicht alles. Bernd Begemann und Jan Delay waren schon gut, aber nun sind auch noch Olli Dittrich und seine Pommesbude als Gründe dazugekommen, die für den Stadtwechsel sprechen. “Und das sind jetzt alles deine Freunde?”, fragte ich ein bisschen neidisch. Elzie verzog das Gesicht. “Oder glaubst du nicht an eine Freundschaft zwischen Männern und Frauen?” fügte ich hastig hinzu. “Du etwa?” fragte sie zurück und schaute mich kopfschüttelnd an, als sei ich das letzte, naive Provinzputtchen. Ich dachte nach. Eigentlich glaube ich immer an das Gute. Im Menschen und überall. “Doch doch”, nickte ich dann, obwohl sich bei längerem Nachdenken ein paar Zweifel meldeten, “Doch, Männer können auch Freunde sein”. Elzie lächelte mitleidig. “Anderen Männern eventuell, das kann ich nicht beurteilen. Aber für Frauen doch nur, wenn die Männer ihnen etwas reparieren”, schränkte sie dann ein.” Wenn sie ihnen Lautsprecher ins Bad oder Auto installieren, oder es schaffen, dass die Küchenschranktür nicht mehr von selbst aufgeht, dann glaube ich auch unbedingt an eine Freundschaft zwischen Männern und Frauen.” “Wie”, fragte ich verblüfft nach, “und wenn sie handwerklich nicht begabt sind, kommen sie als Freunde nicht in Frage? Vielleicht haben sie andere Qualitäten…” “Wenn sie die haben, ist es gut. Dann lieben und begehren sie die Frauen, machen sie rundum glücklich und gemeinsam bezahlen sie dann jemanden, der die leidigen Reparaturen erledigt. So ist es okay, aber das ist dann keine Freundschaft mehr, oder?” Ich stellte fest, dass ich nach drei Monaten ohne meine Freundin ein wenig aus der Dialog-Übung geraten war. Ich hatte vergessen, wie spitzfindig sie sein konnte. “Und fang mir jetzt bloß nicht mit den Schwulen an”, kommt Elzie meinem letzten Einwand zuvor, “die können vielleicht regierender Bürgermeister von Berlin werden, aber rundum glücklich macht uns von denen keiner - und handwerklich begabt sind sie sowieso nicht.” Guru Henryk gab zu, dass es im Talmud zwar heißt, der Mann brauche eine Lebensgefährtin, um in ihr das wiederzufinden, was er verloren hat, “aber was die Frauen brauchen, davon weiß der Talmud nichts”, zuckt er ratlos die Schultern. Als wenn wir uns das nicht schon gedacht hätten.

18.6.2001

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