Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

02.07.2001   13:03   +Feedback

Herreklo

Von Renée Zucker

Hier und dort, gern auch zur Sommerzeit, ist immer wieder mal zu lesen, dass Männer ihre Unterhosen heute häufiger als früher wechseln und auch schon mal zum Eau de Toilette nach dem After Shave greifen. Das mag sein, trotzdem scheint sich nicht wirklich etwas im Kulturbeutelbewusstsein des Neandertalergeschlechts verändert zu haben. Bei einer Großveranstaltung in der Urania waren am Wochenende die Damen-Toiletten ausgefallen, weshalb in der Pause die Damen nun vor dem Herrenklo anstanden. Fünf Urinale, fünf Kabinen, dazwischen ein schmaler Gang. Der Anblick vor dem Klo veranlasste erst mal jeden Mann zum sofortigen Rückzug. Dann stellte sich einer brav und gefasst in die Frauenreihe, bis ihm plötzlich dämmerte, dass er ja gar keine Kabine brauchte! “Das ist mir doch hier wirklich zu dumm”, sprach er sich laut Mut zu, stratzte an den schaden- bis erwartungsfroh kichernden Frauen vorbei und stellte sich tapfer an das Urinal, das am weitesten von den Frauen entfernt war. Die Schlange hatte sich inzwischen in ein klatschendes, lachendes, bravorufendes Inferno verwandelt und Friedrich Schillers “... da werden Weiber zu Hyänen” musste jedem Lyrikkenner durch den Kopf schießen. Herreklo macht keinen Herren froh. Aber auch hier wirkte das Gesetz Rupert Sheldrakes: hat erst einmal ein Neugierig-Mutiger den Anfang gewagt, ist die Idee im Universum manifestiert und das morphogenetische Feld auch für die nächsten eröffnet.

Mann strömte nach. Plötzlich konnten gar nicht genug Urinale für all die Männer da sein, die sich inzwischen auch im schmalen Gang drängten und den in die Kabinen stolpernden Frauen ein keckes “Aber nicht gucken!” zuriefen, während andere grinsend und kopfschüttelnd, “unsere letzte Bastion” murmelnd das Herrenklo verließen. Als hätte man trotz gewissen Unwohlseins auf beiden Seiten doch irgendeinen verruchten Gefallen an der Situation gefunden, und so hätte diese Geschichte irgendwie doch noch ein unerwartet versöhnliches Ende finden können, wenn nicht - na? Was hat wirklich keiner von diesen Herren getan, die sich für ein Wochenende zur Betrachtung der Seelenbewegung bei Bert Hellinger in der Urania eingefunden hatten? Keiner ging nach dem Klo ans Waschbecken! Selbst ein empörter Aufschrei: “Ja, wäscht sich denn hier kein Kerl die Hände?” fruchtete nichts. Das war eindeutig die späte Rache an Mama! Nun hatten sie’s uns gezeigt. Bätsch, ich wasche meine Hände nie nach dem Pinkeln. Erschütterte Stille in der Frauenschlange. Jede überlegte, wem sie alles in den letzten Stunden zur Begrüßung die Hand gereicht hatte. Und wem gestern, vorgestern, das ganze Leben lang. Die Welt bekam ein neues, schmutziges Gesicht. Und endlich hatten wir einen empirischen Beweis und den Grund für jene Untersuchung in “Nature”, nach der jede Hundeschnauze sauberer als eine Türklinke ist. Ab sofort sollten öffentliche Klos serienmäßig mit Sirenen ausgestattet sein, die bei Nichtbenutzung von Wasser und Seife lärmende, stroboskopblitzende Signale aussenden.

2.7.2001

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