Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

05.08.2001   13:03   +Feedback

Ein erfolgreiches Paar

Von Renée Zucker

Elzie hat gesagt, in Hamburg sei Vegetarismus überhaupt kein Thema. “Hier ernährt man sich ja schon immer konsequent basisch vegaan,” ahmt sie den norddeutschen Sound nach und schmatzt Basenkuchen mit Apfel durchs Telefon, der ganz ohne Fett und Eier gefertigt wurde. “Ihr in Berlin hinkt doch nur noch München hinterher, seitdem ihr mit der Wende gelernt habt, dass Plockwurstschnittchen mit Mayo jetzt Kanapees heißen,” macht sich meine Freundin in Altona lustig über die Hauptstadt. “Euer CDU-Bürgermeisterkandidat schwärmt so von München, dass er in Berlin garantiert nie mehr eine Wahl gewinnt und selbst eure Türken sind ja schon münchnerisiert: BMW mit ohne Dach, schicke Hosen, ordentlich Parföng über alles, und von morgens bis abends darüber diskutieren, was man am Wochenende machen soll…”

Elzie behauptet, seitdem sie in Hamburg lebt, sieht sie viel klarer, auf was für nem absteigenden Ast wir hier sitzen. “Ein gutes Beispiel ist doch der Kulturminister, der eigentlich kein Minister ist - der eine geht nach Hamburg, der andere kommt - na, woher wohl? Richtig, aus München. Da ist man jetzt ganz sicher, dass Berlin Zweigstelle geworden ist.”

“Aber der neue Kulturminister ohne richtiges Amt ist viel hübscher als der alte,” wende ich zaghaft ein.

“Diese Locken-Spitznase?” schreit Elzie höhnisch auf, “die Jahrzehnte nach Glucksmann, Henri-Lévy und Finkielkraut einen auf schönen Philosophen macht und bis nach Kolumbien fahren muss, um Kant vorzutragen?”

“Aber immerhin hat er seine Frau mitgenommen, die sich ganz eigenständig für die Geisteswissenschaften interessiert”, beharre ich darauf, dass nicht alles, was aus München kommt, schlecht sein muss.

“Tatsächlich,” staunt Elzie falsch, “die beiden sind ja ein richtiges ‘couple de lettres’, was?”

“Immerhin unterstützt er sie so solidarisch, dass er nicht nur ihren Roman mitlektoriert hat, sondern auch noch sein Büro bei einer Zeitung anrufen läßt, wenn da das Buch von ihr verrissen wird”, sage ich ganz neidisch auf einen Mann, der so toll zu seiner Frau steht.

“Wie bitte?” schreit Elzie jetzt ganz empört in den Hörer, “noch mal - das Bundeskanzleramt ruft bei einer Zeitung an, die den Trash-Roman einer noch nicht mal richtigen Ministergattin verreißt?”

“Wieso?” frage ich verwundert über den echten Zorn in Elzies Stimme, “was ist daran so schlimm? Es war auch nicht das Bundeskanzleramt sondern nur das Presseamt der Bundesregierung. Die Gattin wollte die Telefonnummer von dem Kritiker haben und hat das Büro von ihrem Mann gebeten, das mal eben für sie zu erledigen. Wahrscheinlich hatte sie so viel mit Kofferpacken für Kolumbien zu tun. Du würdest das doch auch für mich machen.”

“Mann, ich bin aber doch nicht in der Bundesregierung”, stöhnt Elzie über meine Unkenntnis. “Das sind neureiche Königshofmoden - oder so wie früher, wenn die Ehefrauen vom Hausarzt irgendwo eingekauft haben, sich mit Frau Doktor anreden ließen und vor allen anderen an der Wursttheke dran kamen! Was hat denn bitteschön das Presseamt der Bundesregierung mit Angestelltengattinnen zu tun? Oder haben die nicht genug Arbeit, wo der Chef in Italien hockt? Doris gibt ja auch demnächst ein Buch raus. Da kommt dann gleich die GSG 9, wenn man das nicht gut findet, oder wie?”

5.8.2001

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