Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
14.10.2001 13:06 +Feedback
Kein Mensch kann sich seine Verehrer aussuchen, aber langsam macht es mich stutzig, dass Roger Willemsen hinter mir herjagt wie ein Rentner nach Sonderangeboten bei Aldi. Es ist mir schon deswegen peinlich, weil mich Nachfragen erreichen, ob das Ganze vielleicht ein abgekartetes Spiel sein könnte, nach dem Motto: Eins rein, zwei zurück. Letzte Woche hat er in der “Woche” mich und Reinhard Mohr abgemahnt. Es sei “schwierig” innerhalb Deutschlands zu denken, “denn Feuilleton-Landser wie Henryk M. Broder und Reinhard Mohr kontaminieren die Publizistik”; man merkt es dem Satz an, dass Roger mal eine Ausbildung zum Kammerjäger durchgemacht haben muss, bevor er sich entschloss, doch lieber Kolumnist zu werden, weil der Job als Reichskulturwart nicht mehr zu haben ist. Jetzt achtet er in eigener Verantwortung darauf, dass die publizistischen Umweltverschmutzer namhaft gemacht werden. Leider sagt er nicht, was mit den Kontaminateuren passieren soll. Bleibt es bei einer Verwarnung oder kommt er gleich mit einer DDT-Spritze angelaufen? Werden Mohr und ich dazu verurteilt, jeden Tag Willemsen zu sehen und lesen, bis unser Wille gebrochen ist und wir darum betteln, zur Bewährung an die afghanisch-pakistanische Grenze geschickt zu werden?
Wer Willemsen neulich bei Biolek erlebt hat, wo er darüber räsonnierte, wie er bei den Bildern des Anschlags auf das World Trade Center “ein subtiles, nein sublimes Behagen” empfand, weil ihm plötzlich irgendwas klar wurde, der weiß, wozu ein sprachloser Schwätzer imstande ist, der sich dem deutschen Humanismus der anderen Art verpflichtet fühlt und auch bei ein paar Toten nicht schwächelt. Wie müsste die “richtige demokratische Antwort auf die Attentate” aussehen, fragt Willemsen in der “Woche”. Und gibt gleich die korrekte Antwort. Es müsste eine “Position” sein, “die man den Toten schuldet” und die “die Betrachtung der eigenen Schuld mit einer Reflexion veränderter eigener Praxis verbindet.”
Schade ist nur, dass wir die 5.ooo Toten von Manhattan nicht mehr dazu aufrufen können, über ihre eigene Schuld nachzudenken und ihre Praxis entsprechend zu verändern. Aber Mohr und ich werden uns den Rat zu Herzen nehmen und darüber reflektieren, womit wir uns so schuldig gemacht haben, dass Willemsen als Strafe über uns gekommen ist. Von nichts kommt nichts, gewiss, aber eine Strafe darf nicht unnötig grausam sein. Wir Feuilleton-Landser sind auch Menschen. Auch wenn wir nicht so sublim oder subtil auftreten wie ein sensibler Schreibtischtäter in der deutschen Etappe.
HMB, 14.10.2001
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