Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena
08.07.2002 13:04 +Feedback
Zwei Jahre war das “Holocaust-Art-Projekt-Deutschland” im Internet zu besichtigen, und kaum jemand hat es gemerkt: Rund hundert Bilder einer fünfköpfigen Künstlergruppe namens art-com-ic aus Rheinland-Pfalz, nach eigener Darstellung “eine handvoll nichtjüdische deutsche Künstler”, die 1997 beschlossen, “in eigener Initiative und auf eigene Kosten” ein Mahnmal für den Holocaust zu verwirklichen.
Holocaust-Bild “Kristallnacht”: Ehrenplatz in jeder Holo-Kitsch-Sammlung
Foto: JO Kamikaze
Das erste Bild war ein “Monumentalgemälde” von vier mal fünf Metern mit dem Titel “mea culpa maxima”, ein Triptychon voll mit christlicher Symbolik und jüdischen Leichen. Es folgten weitere grelle Bilder mit Titeln wie “Kristallnacht”, Ofendachau”, “Mengele”, “Transport” und “Never again” - Pop Art aus dem KZ.
Obwohl jede Bleistiftzeichnung, die sich auf den Holocaust bezieht, gute Chancen hat, wenigstens als Postkarte verbreitet zu werden, hatten die art-com-ic-Künstler mit ihrem Projekt kein Glück. “Hunderte von Anfragen nach Unterstützung stellten wir bis in höchste politische, kirchliche und jüdische Kreise sowie an Jüdische Museen. In den meisten Fällen bekamen wir nicht einmal eine Antwort.”
Kunstwerk “Ende”: Grelle Bilder
Foto: JO Kamikaze
Nur eine Organisation reagierte positiv, die Grünen in Rheinland-Pfalz. Sie stellten auf ihrem Internet-Server Platz zur Verfügung. “Wir haben das Holocaust-Art-Projekt ... gerne unterstützt. Ansonsten handelt es sich dabei um ein externes Projekt, auf dessen Inhalt wir keinen Einfluss hatten und haben”, heißt es in einer Erklärung der rheinland-pfälzischen Grünen von vorletzter Woche. Denn inzwischen wurde das Projekt aus dem Netz genommen und die grünen Gastgeber hatten es zuerst nicht einmal mitbekommen.
Wer heute die Site http://www.gruene-rlp.de/holocaust-art-projekt/ anklickt, findet zwei Mitteilungen, die einander ergänzen. Rechts ein Statement der Künstlergruppe, links eines der Grünen “Das Holocaust-Art-Projekt-Deutschland wurde als eine Aktion gegen die israelische Gewalt im Nahen Osten und als Zeichen für ein Selbstbestimmungsrecht des Palästinensischen Volkes ersatzlos aufgelöst. PEACE NOW!”, schreibt die Künstlergruppe unter der Ägide eines gewissen JO KAMIKAZE.
“Auf die Entscheidung der Projekt-Verantwortlichen, die Webseite aufzulösen, haben wir keinen Einfluss”, schreiben die Grünen und versichern, den Fall Karsli noch in frischer Erinnerung, die “Verknüpfung des Holocaust mit dem aktuellen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern stellt AUSDRÜCKLICH NICHT die Meinung des Landesverbandes von BÜNDNIS 90/Die Grünen in Rheinland-Pfalz dar”. Wer weitere Informationen benötigt, möge sich bitte an die “Initiatoren des Projekts” wenden.
Weitere Nachfragen führen zu einer vierstelligen Telefonnummer im Raum Mainz, dem Anschluss von JO. Der bittet darum, dass weder sein Name noch sein Wohnort genannt werden, denn seit er das Holocaust-Art-Projekt macht, hat er schon “viele Drohungen bekommen” und muss vorsichtig sein: “Man bekommt leicht eine Bombe reingeworfen.” Obwohl die Bilder nicht mehr zugänglich sind und eine ganz neue Situation entstanden ist. “Wir entziehen unsere Werke ganz bewusst dem öffentlichen Auge”, sagt der Künstler. “Wenn wir die Aussicht haben, mit dieser Aktion auch nur ein einziges Leben zu retten und die Politik des starken Israels gegen das schwächere palästinensische Volk zu beeinflussen, so hat sie sich schon gelohnt.”
Triptychon “mea culpa maxima”, Ausschnitt: Voll mit christlicher Symbolik und jüdischen Leichen
Foto: JO Kamikaze
So will er von der Pfalz aus in den Nahost-Konflikt eingreifen, denn: “Wenn ich mir das jeden Tag im TV ansehe, dann habe ich Angst um das palästinensische Volk.” Deswegen habe er das Holocaust-Projekt “ersatzlos aufgelöst”. Um die deutsche Öffentlichkeit aufzurütteln, sollen bald “weitere Aktionen” folgen. Schon in zwei Wochen, “am Tag der Bücherverbrennung”, wird er das Bild “Kristallnacht” vernichten. “Ich stecke es an oder ich übermale es mit Sachen, die den Palästinensern von den Israelis angetan werden. Es geht darum zu zeigen, dass in Palästina das Gleiche passiert wie in der Zeit des Nationalsozialismus.” Der Tag der Aktion, der Jahrestag der Bücherverbrennung, steht fest, über den Ort denkt er noch nach. “Vielleicht vor dem Jüdischen Museum in Frankfurt. Und wenn sich ein Sponsor findet, fahr’ ich das Bild nach Berlin und mach es vor dem Jüdischen Museum dort. Aber Frankfurt ist näher.”
Künstler JO: “Man bekommt leicht eine Bombe reingeworfen”
Foto: JO Kamikaze
Irgendwie kommt JO von den Juden nicht los. Auf einem der Bilder, die er nicht mehr zeigen will, sieht man einen Schuppen mit einem hohen Kamin. Vor dem Schuppen stehen Menschen, aus dem Kamin steigt Rauch auf, der sich am Himmel zu einem Davidstern formt. In jeder Holo-Kitsch-Sammlung hätte das Bild einen Ehrenplatz. Es stammt noch aus JOs “mea-culpa-maxima”-Phase.
Heute sagt er: “Ich hab keinen Juden umgebracht. Ich bin es leid, mich beschimpfen zu lassen, ich sei schuld am Holocaust. Ich wehre mich dagegen als Deutscher.” Könnte seine Wut vielleicht daher kommen, dass kein Museum Interesse an seinem Holocaust-Projekt gezeigt hat? “Ich habe noch kein einziges meiner Holocaust-Bilder verkauft.” Das habe er auch nicht nötig. “Ich habe andere Einnahmequellen, ich mache viele Dinge.”
JO hat so viel zu tun, dass er nicht mal dazu kommt, einen Blick in den Kalender zu werfen. Der Tag der Bücherverbrennung war schon. Am 10. Mai, wie jedes Jahr.
8.7.2002
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