Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

15.04.2003   13:03   +Feedback

Der Schmock der Woche: Michael Lüders, Experte für dies und das

Ein Glück, dass der Krieg im Irak zu Ende ist. Den Irakis bleiben weitere Opfer und uns noch mehr Auftritte der “Experten” in den Sondersendungen erspart. Was wir jetzt noch gerne wüssten: Hat der Universalexperte Peter Scholl-Latour mehrere Doppelgänger, die er wie Saddam Hussein für sich arbeiten lässt, oder macht er wirklich alles selbst? Nach einer Aufstellung der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 13.4.2oo3 ist PSL zwischen dem 19. Januar und dem 13. April in 31 Talk- und TV-Shows aufgetreten - an manchen Tagen bis zu dreimal. Keine schlechte Leistung für einen älteren Herren, der das Rentenalter längst erreicht hat. Aber man hört ihm gerne zu, obwohl er sich ständig wiederholt, öfter daneben liegt und schnell beleidigt ist, wenn ihm einer zu widersprechen wagt. Denn manchmal hat der alte Grantler auch einen Gedanken, der es verdient, festgehalten zu werden, wie z.B. den, dass die UN eine Versammlung ist, die zu drei Vierteln aus Vertretern von Diktaturen und Despotien besteht, weswegen man die moralische Autorität dieser Einrichtung nicht überschätzen sollte.


Durch das wilde Kurdistangeritten: Michael Lüders

So etwas würde Michael Lüders nie sagen, nicht einmal heimlich denken. Denn Lüders - früher bei der “Zeit”, heute bei der Friedrich Ebert Stiftung - ist politisch so korrekt wie ein Falafelbällchen rund ist. Dass er in den Ruf kommen konnte, ein “Experte” für den Islam, für den Nahen und Mittleren Osten und für die arabische Mentalität zu sein, gehört zu den Langzeitschäden, die Karl May zu verantworten hat. Nach eigenem Bekunden sitzt Lüders am liebsten in einem arabischen Café, trinkt arabischen Kaffee, raucht eine arabische Wasserpfeife und hört arabische Musik. Und so fallen dann auch seine Analysen und Einschätzungen aus. Unvergessen sein Auftritt in der “Kulturzeit” auf 3sat während des Afghanistankrieges, als er gebeten wurde, die “Körper- und Zeichensprache” von Osama Bin Laden zu dechiffrieren. Gezeigt wurde der Chef der Al Kaida, wie er im Schneidersitz hockt und mit sanfter Stimme die wüstesten Morddrohungen ausspricht, die Kalaschnikow neben sich an die Wand gelehnt. Deswegen, so Lüders, weil Bin Laden die Waffe nicht in den Händen hielt, sei seine Rede eigentlich ein “Friedensangebot” gewesen.

Zu Beginn des Irakkrieges wurde Lüders wieder in der “Kulturzeit” vernommen, und diesmal erzählte er, es wäre seit Jahren unmöglich, nach Bagdad zu telefonieren, wegen des Embargos. Seltsam, dass wir kurz vorher mühelos durchgekommen sind. Weil die Moderatoren, die ihn interviewen, noch weniger Ahnung haben als er, kommt er mit solchen Schmonzetten gut an. Wenn Lüders über den Islam redet, klingt es so, als würde Iwan Rebroff über die Oktoberrevolution dozieren. Die “Bauchbinde” gibt ihm die Lizenz: “Michael Lüders - Islamexperte”. Auch wenn “Experte” in diesem Fall üble Nachrede ist oder ein Synonym für “studierter Dummbatz”. Vor kurzem hat Lüders für den “Tagesspiegel” einen Beitrag geschrieben, in dem es mal wieder um sein Lieblingsthema geht - wie die arabische Welt durch den Westen gedemütigt wird. Da heißt es:

“So dürfte es schwer fallen, der arabischen Öffentlichkeit glaubwürdig zu erklären, warum in Falle des Irak die Nichtbefolgung der UN-Resolution 1441 dramatische Konsequenzen zur Folge hatte, während Israel seit 1967 ungestraft sämtliche Resolutionen ignoriert, die einen Rückzug aus den besetzten Gebieten oder auch nur die Rückkehr an den Verhandlungstisch zum Inhalt haben.”

Das hat er echt so geschrieben, unser Experte, und er hat’s vollernst gemeint. Mal wieder sind die Juden bevorzugt behandelt worden, statt sie mit ein paar Bomben auf Tel Aviv zur Räson zu bringen. Denn seit 1967 ignoriert Israel alle UN-Resolutionen und lehnt es ab, an den Verhandlungstisch zu kommen. Es hat kein Camp-David-Abkommen mit Ägypten und keinen vollständigen Rückzug aus dem Sinai gegeben; Israel hat den Südlibanon nicht geräumt, es hat die Verhandlungen von Oslo nicht gegeben, Israel hat nicht die dicht besiedelten Teile der Westbank und des Gaza-Streifens an Arafat übergeben, in denen rund 9o% der Palästinenser leben, das haben wir uns alles nur eingebildet, während Lüders im Caféhaus saß, Pfeife rauchte und knallhart recherchierte.

Und noch etwas hat’s nie gegeben, jene UN-Resolution vom November 1947, in der die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat beschlossen wurde, worauf die arabischen Nachbarn dem noch nicht existenten Israel den Krieg erklärten. Aber da war unser Experte noch nicht geboren und deswegen muss er es nicht wissen. Jetzt sitzt der promovierte Etappenhase an seinem Schreibtisch bei der Friedrich-Ebert-Stiftung und schreibt Expertisen über den Nahen Osten, wenn er nicht im Fernsehen Weisheiten von sich gibt wie diese: “Die geopolitischen Verwerfungen soll man nicht unterschätzen, aber man muss abwarten, wie sich die Dinge entwickeln.” Egal, mit welchen Verwerfungen wir rechnen müssen und wie sich die Dinge entwickeln, der Schmock der Woche geht jetzt schon an Michael Lüders, den Karl May unter den Experten für den Nahen Osten.

HMB, 15.4.2oo3

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