Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

17.03.2003   12:03   +Feedback

Der Schmock der Woche: Sir Peter Ustinov, Ursachenforscher

Neulich auf RTL: Oliver Geissen präsentiert die “bewegendsten Momente” der vergangenen Jahrzehnte, den deutschen Sieg bei der Fußball-WM 1954, das Ende der DDR, die Terroranschläge von New York. Für jeden Moment gibt es “Zeugen”, die berichten, wie es war und was sie fühlten, als es passierte. Wäre Inge Meisel beim Untergang der “Titanic” mit an Bord gewesen, hätte man auch sie eingeladen. War sie aber nicht, und deswegen darf die Seniorin zu Hause bleiben.

Preisträger Sir Peter Ustinov

Trotzdem ist die Abteilung “alt aber fit” optimal besetzt, mit Sir Peter Ustinov. Der hat praktisch zu allem etwas zu sagen, auch wenn er immer die selben Anekdoten erzählt. Es geht, unter anderem, um den 11. September 2oo1. Die kompetenten Zeugen sind Heidi Klum, die soeben ihre eigene Birkenstock-Luxus-Sandalen-Kollektion vorgestellt hat, und Boris Becker, auch er ein Hobbydesigner mit viel Tagesfreizeit. Beide waren in N.Y., als die Türme kollabierten. Wie konnte es so weit kommen? Peter Ustinov nennt den Zusammenhang von Ursache und Wirkung: “Der Terror ist der Krieg der Armen gegen die Reichen.”

Das Publikum applaudiert heftig, Heidi Klum und Boris Becker nicken zustimmend. Klum (Tagesgage ab 1o.ooo,- Dollar aufwärts) und Becker (geschätztes Einspielergebnis bis zum Eintritt in den Ruhestand: 3oo Millionen Mark) kennen sich im Leben an der Elendsgrenze aus. Sie solidarisieren sich nicht nur mit, sie rechnen sich selbst zu den Armen dieser Welt. Die Reichen, das sind die Anderen, zum Beispiel die Banker und Broker, die im WTC gearbeitet haben.

Auch Sir Peter ist, gemessen an Oprah oder Jerry Seinfeld, eine arme Maus. Obwohl er in den Branche als ein Abgreifer gilt, der sich jede Schnurre einzeln bezahlen läßt. Als er mit Verona Feldbusch in einem Golf-Cart über die schon pleitene Expo in Hannover rollte, da soll er für diese Nebentätigkeit ein Honorar bekommen haben, von dem man alle Straßenkinder in Kalkutta eine Weile hätte durchfüttern können. Und nun sitzt er da, in einer Retro-Show bei Oliver Geissen, und redet wie Franz Alt auf einem Attac-Treffen: “Der Terror ist der Krieg der Armen gegen die Reichen.” Was für ein bewegender Moment. Der Sir als Schmock.

HMB, 17.3.2oo3

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