Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

04.10.2003   13:03   +Feedback

Der Schmock der Woche: André Brie, Experte für Widerstand und Mäusemelken

Einerseits soll man keine Witze über Namen machen, andererseits ist jeder Mensch ab einem bestimmten Alter nicht nur dafür verantwortlich wie er aussieht, sondern auch wie er heißt. Bei André Brie ist der Name Programm.

Reist gerne auf EU-Kosten: André Brie
Reist gerne auf EU-Kosten: André Brie

Er galt eine Weile als der »kritische Vordenker« der PDS, der die Partei reformieren sollte, um sie salon- und regierungsfähig zu machen. Als dann raus kam, dass er in seiner Jugend nicht nur schlechte Texte geschrieben, sondern auch für die Stasi gespitzelt hatte, musste der Vordenker ein wenig in den Hintergrund treten. Brie wurde ins Europaparlament entsorgt, so war er beschäftigt und konnte doch keinen Schaden anrichten.

Inzwischen ist er Mitglied der »Interparlamentarischen Delegation für die Beziehungen zu Israel«; Nachdem es ihm nicht gelungen ist, die PDS vor dem Abstieg in die Bedeutungslosigkeit zu bewahren, will er nun wenigstens die PLO vor dem gleichen Los retten. So reist er immer wieder in den Nahen Osten, um den FriedensProzess zu überwachen und den Israelis und den Palästinensern zu sagen, wo’s lang geht.

Eben war er wieder da und hat »dem Prozess gegen den palästinensischen Politiker Marwan Barghouti beigewohnt«, wie es die »junge welt« sensibel formulierte. Aber so richtig ins Knie gefickt hat sich Brie erst nach seiner Rückkehr aus Israel, als er der »jungen welt« ein Interview gab. Der Prozess gegen Barghouti »ist illegitim«, sagte Brie dem ehemaligen Zentralorgan der FDJ, Barghouti steht »für legitimen Widerstand«, er ist zwar »einer der Führer der ersten und ein politischer Führer der zweiten Intifada«, aber »er ist auch ein Mann, der den Terror gegen Zivilisten und Unbeteiligte eindeutig ablehnt«.

Nun kann man von einem promovierten Clochard, der Brie heißt und einen Gouda von einem Edamer nicht unterscheiden kann, nicht erwarten, dass er weiß, wo legitimer Widerstand aufhört und Terror anfängt. Aber alles darf man ihm auch nicht durchgehen lassen. Barghouti, das gibt sogar Brie zu, war der Kopf der ersten und der zweiten Intifada. Auf sein Konto gehen Hunderte toter Israelis und Palästinenser. Zu behaupten, er würde »den Terror gegen Zivilisten und Unbeteiligte eindeutig ablehnen«, ist so absurd wie seinerzeit die Behauptung, der »antifaschistische Schutzwall« würde dazu dienen, die DDR vor dem Eindringen feindlicher Agenten zu bewahren.

Mit solchen kleinen Korrekturen der Wirklichkeit ist Brie groß geworden, und deswegen macht es ihm noch immer nichts aus, die Tatsachen auf den Kopf zu stellen. Hauptsache, die Richtung stimmt. Statt gebührend anzuerkennen, dass Israel einen praktizierenden Terroristen vor Gericht gestellt hat, obwohl es einfacher wäre, ihn umzulegen, jammert Brie, mit dem Prozess werde versucht, »das politische Problem der Okkupation… durch die Kriminalisierung und Delegitimierung des Widerstandes zu beantworten«.

Man merkt, der Brie hat in der Zone politische Wissenschaft studiert und versteht was vom Mäusemelken. Auf die Frage des junge-welt-Interviewers: »Machen Sie sich nicht zum Terrorhelfer, wenn sie Barghouti zu Hilfe kommen?«, antwortet Brie so wie ein Harzer auf die Frage, ob ihm der eigene Gestank nicht allmählich den Appetit verderben würde: »Ich komme selbst aus einer jüdischen Familie, und durch viele Besuche in Palästina und Israel weiß ich um die Situation des palästinensischen Volkes.«

Ja, er reist gerne auf EU-Kosten nach Palästina und Israel, um Formen legitimen Widerstandes zu studieren. Nur in Tschetschenien hat er sich noch nicht sehen lassen, um die Situation des tschetschenischen Volkes unter den Bedingungen der russischen Besatzung zu erleben. Früher hatte jeder Antisemit einen ordentlichen arischen Stammbaum, mit dem er protzte. Heute hat jeder Trottel eine jüdische Verwandtschaft, auf die er sich im Notfall berufen kann. Aber aus einem Schweineschwänzchen wird keine koschere Delikatesse und aus einem Stück Brie keine Trüffelpastete. Und ein Schmock bleibt ein Schmock, auch dann, wenn er selbst aus einer jüdischen Familie kommt.

HMB, 4.1o.2oo3

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