Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

17.11.2003   12:02   +Feedback

Gudrun Eussner: Der Staat Israel erklärt feierlich sein Bedauern…

Flucht und Vertreibung der Palästinenserin deutschen Online-Medien

Google.de, deutsche Seiten:

Massaker Israel: 19 500 Angebote Vertreibung der Palästinenser 1948: 2 180 Angebote Flucht der Palästinenser 1948: 1 210 Angebote al-Nakba: 652 Angebote al-Naqba: 58 Angebote Massaker von Tantura: 75 Angebote Massaker von Tanttura: 3 Angebote

Berücksichtigung der Verfolgung und Vertreibung der Juden aus arabischen Staaten in der Berichterstattung

Das Gegenstück, die Zahl der Angebote zur »Vertreibung der Juden aus den arabischen Staaten» ist nicht zu ergoogeln, denn schon beim zweiten Klick beginnen die Begriffe »Juden» und »arabischen Staaten», getrennte Wege einzuschlagen, so wie Juden und Araber im Leben auch. Die wenigen Beiträge zur Vertreibung der Juden aus arabischen Staaten, u.a. auch meiner, (1) sind fast ohne Ausnahme auf jüdischen Web Sites, deshalb ist ein Beitrag interessant, der auf der Web Site der Universität Leipzig eingestellt ist.

Jürgen Elsässer ist am 18. Januar 2001 zu einem Gastvortrag bei den Kommunikationswissenschaftlern der Universität Leipzig eingeladen. Mutig stellt er seine Medienanalyse unter den Titel »Der Mörder ist immer der Jude ...», berichtet u.a. über kontroverse Untersuchungsergebnisse zum Tode des kleinen Palästinenserjungen Mohammed al-Dura, an der Nezarim-Kreuzung, und zum Thema »Der Clinton Plan» behandelt er auch die Vertreibung der Juden aus den arabischen Staaten. Er bezichtigt die deutschen Medien bei der Berichterstattung zu Themen über Juden und Israel der Einseitigkeit.

»newwws», die Online-Zeitung der Kommunikationswissenschaftler, beschreibt die Reaktion der Anwesenden:

»Nach einer kurzen Eröffnung war schon klar, dass nicht das folgen würde, was viele sich von diesem Abend erhofft hatten: eine objektive Einschätzung der Lage im Nahen Osten und eine Analyse der Medienberichterstattung des Israel-Konfliktes.

....

Dementsprechend war auch die Stimmung im Hörsaal. Zwar spalteten sich die Meinungen, aber spätestens als Elsässer anzweifelte, dass der Tod eines palästinensischen Jungen wirklich auf das Konto israelischer Soldaten gehe, wurde er alsbald mit unverständlichem Kopfschütteln seiner Zuhörer und mit empörten Zwischenrufen konfrontiert.»

Das »unverständliche Kopfschütteln» ist eine schöne Freudsche Fehlleistung, obgleich es nicht unverständlich ist, dass ideologisch festgelegte Menschen so reagieren, wenn ihnen weniger bekannte, von ihrem Weltbild abweichende Nachrichten vermittelt werden. Sie wollen sich ihre vorgefasste Meinung nicht zerstören lassen. Eine objektive Einschätzung heißt für diese Leipziger Wissenschaftler und anderen Zuhörer, dass der Vortragende ihnen ihre Meinung über den »Israel-Konflikt« bestätigt. Wenn nicht, setzt es Empörung. Die Palästinenser sind schon in der Berichterstattung von »newwws« ausgeblendet, es sei ein Israel-Konflikt. Oft nennt man das auch »Israel-Problem«. Schuld hat eben immer der Jude, was zu beweisen war.

Die Online-Zeitung interviewt den »umstrittenen Journalisten« anschließend, »betont aber, dass die Meinung Elsässers nicht die Meinung der Redaktion wiedergibt« und »distanziert sich zudem von den von Elsässer unterbreiteten Praktikumsvorschlägen an unseren Redakteur.« Jürgen Elsässers Interviewpartner versichert seinem Clan der Gleichgesinnten, noch bevor er das Interview überhaupt dokumentiert, dass er nicht vom Wege der vorgefassten Meinung abgeraten sei. Er lässt sich eher die Gelegenheit zu einem Praktikum bei der Zeitschrift KONKRET entgehen. Um die handelt es sich wohl seinerzeit, da Jürgen Elsässer bei KONKRET als Redakteur tätig ist. (2)

So richtet sich die Nachfolgeinstitution des 1916 gegründeten Instituts für Zeitungskunde auch ohne Krieg und Diktatur selbst zu Grunde. Ruhe sanft!

Die wenigen Beiträge, die neben der Abhandlung über die Flucht und Vertreibung der arabischen Palästinenser auch die jüdischen Flüchtlinge erwähnen, sind nur von Juden, wobei noch die jüdischen »neuen Historiker« hinzukommen, die sich ebenfalls bedingungslos auf die Seite der Palästinenser schlagen und dies wohl für das mindeste halten, Israels »Schuld« gegenüber den Palästinensern abzutragen.

So wendet sich Moshe Zimmermann, der Leiter des Richard Koerber Center for German History an der Hebräischen Universität Jerusalem, oft und gern gesehener Referent bei Sympathieveranstaltungen für die Palästinenser, gegen eine »Aufrechnung« der beiden Flüchtlingsprobleme und -ansprüche. In den letzten zehn Jahren greife man zur »Aufrechnungstaktik«, worunter man sich wohl eine Art »Aufrechnungskeule« à la Norman Finkelstein vorzustellen hat. Moshe Zimmermann bestreitet, dass die Juden nach 1948 aus den arabischen Staaten vertrieben werden.

Er nennt den Krieg ab dem 15. Mai 1948, da die arabischen Staaten antreten, Israel im Keime zu ersticken, »Krieg…, der in Israel Unabhängigkeitskrieg heißt«. Er distanziert sich durch die Wortwahl von diesem Begriff, denn sonst hätte er geschrieben »nach dem Unabhängigkeitskrieg«. Für ihn war es keiner. Er setzt aber noch eins drauf, indem er eine »kontrafaktische Frage« einbringt:

»... ob diese Vertreibung stattgefunden hätte, wenn der Staat Israel nicht gegründet worden, wenn der Krieg zwischen Israel und arabischen Staaten ausgeblieben wäre. Wären Juden in arabischen Ländern ohne eine aktive zionistische Intervention motiviert gewesen, Hab und Gut aufzugeben und auszuwandern? Die Debatte kann also nur angesichts des historischen Kontexts - der Gründung des Staates Israel - sinnvoll geführt werden.« (3)

Ein deutscher Spruch sagt dazu flockig: »Hätte der Hund nicht geschissen, hätt’ er ‘n Hasen gefangen!«

Aber Spaß beiseite, denn die »neuen Historiker« meinen es ernst. Sie untersuchen tatsächliche und fiktive Ereignisse, beispielsweise solche, wie das von Moshe Zimmermann genannte. Sie sind dabei, die Geschichte der Gründung Israels neu zu schreiben. Die konsequentesten unter ihnen gelangen dabei zur Aberkennung des Existenzrechts Israels.

Ein weiterer Text, in dem die aus arabischen Staaten vertriebenen Juden erwähnt werden, ist das »Non-Paper« von Taba. Dort heißt es unter dem vorletzten Punkt, Nr. 15:

»15. Obwohl die Frage der Entschädigung ehemaliger jüdischer Flüchtlinge aus arabischen Ländern nicht Teil dieser bilateralen israelisch-palästinensischen Vereinbarung ist, verpflichten sich beide Seiten in Anerkenntnis der Leiden und Verluste dieser Bevölkerungsgruppe, zu gemeinsamen Bemühungen um eine gerechte und angemessene Lösung dieser Frage.«

Das heißt, dass bis Anfang Januar 2001 eine gemeinsame Betrachtung einer Entschädigung der vertriebenen Juden und Palästinenser gar nicht in Erwägung gezogen wird. In Punkt 2 bereits steht: »2. Der Staat Israel erklärt feierlich sein Bedauern über die Tragödie der palästinensischen Flüchtlinge, ihr Leiden, ihre Verluste ...«

In Punkt 3 wird an alle Verantwortlichen, »die den heutigen Status der palästinensischen Flüchtlinge direkt oder indirekt zu verantworten haben«, appelliert, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. (4)

Da wären in dieser Reihenfolge zu nennen: die arabischen Staaten, die Führung der Palästinenser, Großbritannien, Deutschland, die USA, die palästinensischen Flüchtlinge und zuletzt Israel.

Die Verantwortung für Verfolgung, Elend, Flucht und Vertreibung der 850 000 Juden aus den arabischen Staaten sowie ihre gerechte Entschädigung wird im einzelnen noch festzustellen sein.

Darstellung von Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948

Zunächst ein Beitrag, der sich nicht auf deutschen, wohl aber auf den deutschsprachigen Seiten findet. Auf deutsche Web Sites wird er nicht übernommen. Der Politikwissenschaftler der Hebräischen Universität Jerusalem Shlomo Avineri beginnt beim Begriff:

»Nicht zufällig nennen die Palästinenser ihren Trauertag ‘Naqba’, was soviel heißt wie ‘Katastrophe’. Ein neutraler Begriff, so, als ob man sich über eine Naturkatastrophe unterhalten würde. Was aber den Palästinensern 1948 widerfuhr, war das Resultat einer politischen Entscheidung ihrerseits, und politische Entscheidungen haben Konsequenzen.«

Diesen Ansatz gibt es in kaum einem deutschen Beitrag zum palästinensischen Flüchtlingsproblem. Sie bedauerten, diesen von Anfang an totalen Krieg gegen die Juden verloren zu haben, und nicht nur gegen diese, sondern auch den gegen den UN-Beschluss Nr. 181, vom 29. November 1947, »die internationale Legitimierung dieses Staates«, erklärt Shlomo Avineri, und weiter:

»Sogar heute weigern die Palästinenser sich, zu akzeptieren, dass wir von Rechten gegen Rechte sprechen. Für sie geht es, wie schon 1948, um Rechte gegen Unrecht. Darauf basiert auch ihr Beharren auf dem Recht auf Rückkehr. Diese Haltung verhindert tragischerweise jeden Kompromiss«. (5)

Der UN-Beschluss sieht die Gründung zweier Staaten, eines jüdischen und eines arabischen, auf dem Gebiet der 23 Prozent des im Jahre 1923 von den Briten westlich des Jordans von Palästina abgeteilten Gebietes vor. Die restlichen 77 Prozent Palästinas kommen seinerzeit unter dem Namen Transjordanien vollständig in arabische Hände, bei britischer de facto Herrschaft. Den Juden wird das Recht zur Staatsgründung von den Arabern mit Unterstützung der Briten abgesprochen. Sie führen einen Krieg, den sie verlieren. Konsequenzen dafür tragen sie bis heute nicht. Die Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen sie nicht.

»Ethnische Säuberungen«

»Warum haben die Palästinenser 1948 ihre Heimstätten verlassen? Ein Fall von ‘ethnischer Säuberung’ von Salah Abd el Dschawad«, ist der erste auf den deutschen Google-Seiten gefundene Beitrag. Eingestellt auf GAIA, der Web Site des ehemaligen Sanitätsoffiziers der Bundeswehr Dr. Wolfgang Fischer. »GAIA - Menschsein als Aufgabe. Das Bekenntnis zu einer ‘verantwortlichen Menschlichkeit’ und ein Handeln im Sinne der Liebe ebnen den Weg in eine gesunde (sic!) und friedliche Zukunft.« GAIA ist gegen »Beherrschung durch Macht und Geld«, gegen das »Monster der Zivilisation: den global um sich greifende Kapitalismus«, eine milde Umschreibung von: gegen das internationale Judentum und das raffende Kapital. (6)

Das »Handeln im Sinne der Liebe« und der Artikel des Historikers an der Bir-Zeit Universität von Ramallah Salah Abd el Dschawad stehen auf GAIA unter dem Motto:

»Der Staat Israel dürfte demnächst von einem identifizierten Kriegsverbrecher (Libanonfeldzug mit 30 000 Toten) und dem Organisator des Massakers von Sabra & Schatila (1500 Ermordete) regiert werden. Die neuen Historiker unterschiedlicher ethnischer Zuordnung bezweifeln, dass die Armee Scharons das Prinzip der ‘Reinheit der Waffen’ für sich in Anspruch nehmen kann.«

Dieser Ausspruch stammt von Hans Branscheidt, seit 1988 Entwicklungshelfer der NRO »medico international«. Er gibt dort die medico-Rundschreiben heraus. Er ist gleichzeitig Mitglied der »Koalition für einen demokratischen Irak (KDI)«, für die er auf dem Wadinet des Thomas von der Osten-Sacken einen Offenen Brief der irakischen Opposition an die Menschen in Deutschland veröffentlicht: »Der Irak? - Das sind wir!« Der letzte eindringliche Satz dort ist ein Aufruf an die deutsche Regierung, gegen den Irak in den Krieg zu ziehen. Er lautet:

»Einen ‘Frieden’, der nur die Verlängerung des Krieges gegen die Irakerinnen und Iraker bedeutet, benötigen wir nicht. Es ist der immerfort vorkommende Krieg gegen die irakische Bevölkerung, der endlich beendet werden muss.« (7)

Man darf gespannt sein, wann Hans Branscheidt die Bundesregierung auffordert, gegen Ariel Scharon und Israel in den Krieg zu ziehen. Vielleicht gibt es dann wie im Irak eine kleine No-Fly-Zone für den Verein WADI, wo er zum Trutz gegen den »Kriegsverbrecher« gemeinsam mit einer »Koalition für ein demokratisches Israel« humanitäre Hilfe leisten kann.

Nun aber zu dem Artikel von Salah Abd el Dschawad. Er ist ein überarbeiteter Text eines im Jahr 2000 vom Autor in Paris gehaltenen Vortrags. In Deutschland wird er, am 9. Januar 2001, in der FAZ veröffentlicht, wobei »ethnische Säuberung« von der FAZ nicht etwa mit einem Fragezeichen versehen wird. Im Vorspann verweist die FAZ auf die israelischen »neuen Historiker«. Die Geschichte des Unabhängigkeitskrieges müsse zumindest teilweise revidiert und neu geschrieben werden. Salah Abd el Dschawad wolle sich mehr auf mündliche Quellen verlassen, auf Aussagen von palästinensischen Zeitzeugen.

Für den Autor lautet »die Hauptfrage dieses Krieges ...: Warum haben die Palästinenser ihre Häuser verlassen?« Stellt der Historiker die Frage so, entledigt er die Palästinenser jeglicher Mitverantwortung, denn impliziert wird, dass sie reagieren und nicht etwa vorher gehandelt haben. Nach dieser Fragestellung sind sie Menschen, die sich heroisch aber vergeblich ihrer Vertreibung widersetzen. Als Indiz dafür nimmt der Autor die hohe Anzahl von 800 Toten, die von den »Zionisten« vor dem Einmarsch der arabischen Truppen, am 15. Mai 1948, zu beklagen sind. Dass unter diesen Toten auch zahlreiche von aufgehetzten Arabern ermordete Juden sein könnten, fällt dem Autor nicht auf. Das ginge nämlich nicht nur gegen die »Reinheit der palästinensischen Waffen«, sondern auch gegen die Verdrängung der jüdisch-arabisch-palästinensischen Geschichte, die seit 1920 aus Verfolgung und Terror vom Mufti Hadj Amin al-Husseini aufgehetzter Araber gegen die jüdischen Siedler besteht: 1920, 1929, organisiert und geleitet von den Briten, 1936 bis 1939, mit Waffen und Geld von Nazideutschland unterstützt, wobei Hunderte von ermordeten Juden zurückbleiben.

Er unterstellt Israel einen »master plan«, in dem vorab die Vertreibung der arabischen Palästinenser vorgesehen gewesen sei. Beweisen kann er nichts davon. Selbst der »neue Historiker« Benny Morris, den Salah Abd el Dschawad sonst gern zur Erhärtung seiner Mutmaßungen zitiert, spricht stattdessen von »natürlichen« Ergebnissen des Krieges. Im Beitrag von Salah Abd el Dschawad sind die Juden in der ersten Phase der Auseinandersetzung schwach, was sich nach Eintreffen einer großen Menge Waffen aus der Tschechoslowakei ändere. Diese Waffen werden von der Sowjetunion geliefert und finanziert. Der Autor aber setzt sinngemäß die Waffenlieferung mit den USA in Verbindung, denn zwei Sätze vorher erwähnt er die Ankunft des amerikanischen Colonels David Marcus, womit sich die israelische Taktik verändere.

Es ist bekannt, dass die USA aus eigenen Interessen heraus gegen die Gründung beider Staaten sind. Noch im April 1948 beantragen sie bei den Vereinten Nationen, den Beschluss Nr. 181 zu revidieren. So äußert sich der israelische Zeitzeuge Meir Vilner, im April 1998. Er ist Mitunterzeichner der Unabhängigkeitsurkunde des Staates Israel, vom 14. Mai 1948.

Salah Abd el Dschawad bestreitet den Kampf der Juden gegen die Briten und damit ihr Recht, den Krieg »Unabhängigkeitskrieg« zu nennen. Die Juden beschließen im Krieg mit großer Mehrheit, sich auf Grund der Judenverfolgungen durch Nazideutschland auf die Seite Großbritanniens zu stellen. Dem Mufti Hadj Amin al-Husseini, dem großen Idol der palästinensischen Kämpfer, bleibt es vorbehalten, sich von 1936 bis 1945 mit Nazideutschland zu verbünden und die Ermordung der Juden zu fordern und zu forcieren. Das zu wissen, bedarf es keiner mündlichen Quellen, sondern es ist nachprüfbar dokumentiert.

In seinem Beitrag bringt der Autor die Israelis in die Nähe von Verbrechern:

»Bei der Recherche geht es uns wie jemandem, der ein Verbrechen untersucht: Trotz des Leugnens des Täters gibt es ein Opfer, eine Waffe in der Hand des Täters mit Fingerabdrücken, und es gibt ein Motiv für das Verbrechen.«

Seine Recherche habe ergeben, dass die Palästinenser »Opfer der größten ‘ethnischen Säuberungen’ des 20. Jahrhunderts waren, die mit Hilfe eines Krieges neuen Typs durchgeführt wurden.« Er erklärt weder, was er unter einem Krieg neuen Typs versteht, noch belegt er seine Behauptung. Die Palästinenser sind »Opfer«. Einige Sätze vorher noch hat er das als üble Verleumdung durch die israelische Geschichtsschreibung dargestellt, jetzt schreibt er, die Palästinenser hätten es niemals geschafft, ihre eigene Darstellung der Geschichte auszuarbeiten. Damit beleidigt er alle zeitgenössischen palästinensischen Wissenschaftler. Dem »großen palästinensischen Intellektuellen und Historiker« Walid Khalidi wirft er vor, in seinem Werk »All that Remains« nicht das vom »neuen Historiker« Teddy Katz aufgedeckte Massaker von Tantura, vom 23. Mai 1948, aufgeführt zu haben: »Doch blättert man das Werk von Khalidi durch, findet man nichts über dieses Geschehen.« Es kann auch nichts darüber gefunden werden, was unten noch erörtert wird. Im Forschungszentrum von Bir-Zeit habe man »so drei oder vier Massaker gefunden, die in diesem Buch überhaupt nicht erwähnt werden«. Mit den Daten nehmen es die »neuen Historiker« nicht genau: so drei oder vier Massaker - ganz wie die politischen Anforderungen es benötigen.

Man google nur einmal »Palästinenser Massaker schwarze Liste«, und man wird finden, wie akribisch seit Jahrzehnten die angeblichen und/oder tatsächlichen Massaker von den Palästinensern und ihren Freunden dokumentiert werden. (8)

Historikerstreit in Israel

Kommen wir zum nächsten Angebot: »Historikerstreit in Israel: Die Vertreibung der Palästinenser - ein verdrängtes Thema. ‘Gläubige, rettet eure Seelen!’ von Kenneth Lewan«. Der 1925 in Chicago geborene Kenneth Lewan ist emeritierter Professor, Politologe und Jurist. (9)

Man findet die zu rettenden Seelen in der rechtsextremen Zeitschrift »Junge Freiheit«. Der Artikel wird auf die offizielle Seite der Generaldelegation Palästinas in der Bundesrepublik Deutschland übernommen (10). Wenn man auf der Startseite der Generaldirektion ein Foto des Bundespräsidenten mit dem Präsidenten Yasser Arafat betrachtet, fühlt man sich den Zeiten des Mufti schon wieder etwas näher gerückt: »Präsident Arafat und Bundespräsident Rau in Palästina, Februar 2000«. Na, wenigstens nicht am 28. November ....

Der Autor schreibt des öfteren für die »Junge Freiheit«, wie für die »Deutsche Nationalzeitung«, der er auch Interviews gibt. (11) Er ist gemeinsam mit dem Burschenschaftler und Autor der holocaustleugnenden Vierteljahresschrift »Deutschland in Geschichte und Gegenwart« Hannes Kaschkat Stellvertreter des vom rechtsextremen Dr. Alfred Mechtersheimer 1997 gegründeten Vereins »Unser Land - Wissenschaftliche Stiftung für Deutschland«.

Er schreibt fürs Öko-Net, wo Uschi Eidt und Joscha Schmierer publizieren (12) sowie für die linke Theoriezeitschrift »Das Argument«. (13) Selbstverständlich empfiehlt die Deutsch-arabische Gesellschaft sein Buch über die zweite Intifada. (14)

Zur Erklärung der Flucht der arabischen Palästinenser bezieht sich Kenneth Lewan wie Salah Abd el Dschawad auf die »neuen Historiker«, auf Benny Morris und Simcha Flapan. Letzterer beginnt seine Karriere in den 30er Jahren als Zionist an der Seite von David Ben-Gurion. Später schreibt er über ihn ein Buch, mit dem er ihn diskreditiert. Kenneth Lewan schreibt:

»Selbst nach Angaben des Nachrichtendienstes der israelischen Armee waren 70 Prozent der Flucht auf Angriffe der jüdischen Streitkräfte zurückzuführen, davon 15 Prozent durch Angriffe der Terrorverbände Irgun und Stern.«

Leider gibt er seine Quellen nicht an. Über die Zeit unmittelbar nach der Verkündung des Teilungsbeschlusses, vom 29. November 1947, schreibt er, dass der Schießereien und der Bombenattentate in den ersten Monaten nach Bekanntmachung des Teilungsbeschlusses wegen viele bessergestellte Araber Palästina verlassen hätten, um sich in Sicherheit zu bringen. Es sollen zwischen 30 000 und 75 000 sein. Er lässt diese Aussage neutral, aber im Kontext des vorher geäußerten, Angriffe auf arabische Siedlungen, psychologische Kriegführung, Unterbrechung von Lebensmittellieferungen usw., versteht sich für einen unvoreingenommenen Leser von selbst, dass die Juden diese Schießereien und Bombardements veranstalten. Es gibt aber reichlich Belege dafür, dass auch die Araber nicht untätig sind.

Interessant ist eine Äußerung Kenneth Lewans über die Beteiligung der Palästinenser an den Ausschreitungen:

»Hinzu kommt, dass die palästinensischen Araber nicht in der Lage waren, sich militärisch mit den Juden zu messen. Nur 3.000 Palästinenser folgten dem Ruf zu den Waffen, dazu kamen höchstens 5.000 Freiwillige aus arabischen Ländern. Sie standen 35.000 Hagana-Kämpfern gegenüber. Den Palästinensern fehlte es an Ausbildung, Waffen, technischem Wissen und einer fähigen Führung….«

Diese Aussage trifft sich mit denen, die erklären, der weitaus größte Teil der Palästinenser hätte sich mit dem Beschluss der Vereinten Nationen abgefunden. Die fähige aufrührerische Führung fehlt, da der Mufti noch im ägyptischen Exil weilt. Dies bestätige im Januar 1948 der jüdische Arabienkenner Ezra Danin, und auch David Ben-Gurion habe diese Meinung geteilt. (9)

Die Briten sind noch nicht wieder so weit, ihrem früheren Bundesgenossen seine Nazi-Kollaboration zu verzeihen, ihn wieder aufzunehmen und ihm seine Aufgaben bei der Verwirklichung ihrer Strategien zuzuteilen. Organisiert geschieht das erst nach der Gründung Israels. Einstweilen werden die Araber vom britischen General Sir John Bagot Glubb alias Glubb-Pascha aufgehetzt, weil die Briten den Teilungsplan, dem sie nicht zustimmen, baldmöglichst wieder rückgängig machen wollen, und zwar durch einen von ihnen angeleiteten Krieg ihrer Vasallen Ägypten und Jordanien. Als Vorbereitung darauf besetzen sie »die Berge von Israel«, das Kernland des jüdischen Landes Judäa und Samaria, bekannt unter der unverfänglichen ahistorischen Bezeichnung Westjordanland, und später »West Bank«. Von den Briten ausgebildete Generäle hätten Ägypten und Jordanien in ihren »historischen Fehler« getrieben, gegen den entstehenden israelischen Staat vorzugehen, anstatt ein arabisches Palästina neben dem jüdischen Israel anzuerkennen, meint der Knesset-Abgeordnete Meir Vilner. (15)

Die im Westjordanland und im Gaza-Streifen wohnenden Araber fordern bis 1967 nicht, dort einen Staat einzurichten. Das Siedeln im Westjordanland sowie in Jordanien wird den Juden vom jordanischen König gesetzlich verboten.

Mit dieser Politik zeigen die Briten gegenüber den arabischen Staaten, dass sie voll auf ihrer Seite sind, denn auch die USA, die Sowjetunion und Frankreich schlafen derweil nicht. Eine andere Haltung täte den geostrategischen Interessen und Ansprüchen der Briten in der Region nicht gut. Daran hat sich bis heute nichts geändert, nur dass inzwischen Interessen Deutschlands und anderer EU-Mitglieder hinzukommen. Wäre dem nicht so, gäbe es längst einen palästinensischen Staat.

Im Trend: der störrische Meir Vilner einmal mehr nicht im Trend

Er ist 79 Jahre alt, als der umstrittene antizionistische Kämpe und Knesset-Abgeordnete Meir Vilner (16), bis 1993 Vorsitzender der kommunistischen Partei Israels (CPI), anlässlich des fünfzigsten Jahrestages der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung Israels von der »UZ«, Zeitschrift der DKP, für ihre Ausgabe zum 1. Mai 1998 vom ebenso umstrittenen 85-jährigen israelischen Kommunisten Hans Lebrecht, auch er jahrelang Funktionär der CPI, zur Geschichte des Staates Israel interviewt wird. Die CPI ist seinerzeit die einzige größere Partei, die jüdische und arabische Mitglieder hat. Trotz des stärker werdenden arabischen Nationalismus unterstützen die arabischen Kommunisten den Teilungsbeschluss von 1947.

Hans Lebrecht ist Aktivist in Gusch Schalom, dem »Friedensblock«. (17)

Er versucht im Interview, Meir Vilner ihm genehme anti-israelische Ansichten zu entlocken, der jedoch bleibt trotz all seiner Kritik an der Politik Israels wie zeit seines Lebens störrisch und aufrecht. Zunächst erwähnt er die Rolle der Sowjetunion für die Entstehung Israels:

»Ich möchte noch eine Tatsache erwähnen, welche man heute bei uns in Israel und in den internationalen Medien gerne vergessen lassen möchte: Ohne die drei Stimmen der Sowjetunion - SU, Ukraine und Belorußland - hätte der Teilungsbeschluss der Vereinten Nationen nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit erhalten. 33 Nationen stimmten dafür, 13 dagegen, und 10 enthielten sich der Stimme. Die Sowjetunion war auch der erste Staat, der Israel gleich nach der Staatsgründung de jure anerkannte und diplomatische Beziehungen aufgenommen hat. Die Anerkennung der USA war zuerst nur de facto, ohne diplomatische Beziehungen.«

Über die Rolle der USA, die in linken Kreisen weitverbreitet als die Unterstützermacht hingestellt wird, die Israel von Anfang an als »Brückenkopf« mitten in der arabischen Welt aufgebaut habe, weiß Meir Vilner zu berichten:

»Sie hatte noch im April 1948 in der UN beantragt, den Beschluss vom 29. November zu revidieren und statt dessen in Palästina nicht zwei Staaten zu errichten, sondern einer Treuhandverwaltung der UN das Regime nach Abzug der britischen Mandatsverwaltung zu übergeben. Das hätte praktisch die Ablösung der britischen Kolonialmacht durch ein vom USA-Imperialismus dominiertes ‘internationales’ Regime bedeutet.«

Hans Lebrecht stellt die Frage:

»Was hat die KP bewegt, Sie die Unabhängigkeitsurkunde unterzeichnen zu lassen? War nicht klar, dass die von der zionistischen Idee gelenkten Führungskreise Israels die auf einer Zweistaatenlösung bestehende UN-Resolution sabotieren würden?«

Hierauf geht Meir Vilner nicht ein. Hans Lebrecht mag darauf anspielen, die Juden hätten die Absicht gehabt, nach der Gründung Israels die Gründung des arabischen Staates zu verhindern, um sich das Gebiet später anzueignen. Das ist eine durch den Verlauf der Geschichte, ab dem 15. Mai 1948, müßige »kontrafaktische Frage«, deren Erörterung den »neuen Historikern« überlassen werden sollte. David Ben-Gurion jedenfalls soll einmal gesagt haben, er wolle einen Staat, und wenn er so klein wie eine Tischdecke wäre.

Meir Vilner beschränkt sich bei seiner Antwort darauf, über den Gedenktag der Palästinenser »al-Naqba« zu sagen:

»Aus der 50jährigen Geschichte kann man feststellen, dass das Jahr 1948 nicht nur für das palästinensische Volk das Jahr der Katastrophe war, sondern auch für das israelische Volk. Nicht die Errichtung des israelischen Staates war die Ursache der Katastrophe, sondern die Nicht-Errichtung des arabisch-palästinensischen Staates.«

Zur Rolle der Briten und ihrer Marionette, des Nazi-Kollaborateurs Hadj Amin al-Husseini, bei der Verhinderung eines friedlichen Aufbaus in Palästina sagt er:

»Die historische Wahrheit, wie wir sie erlebten, ist, dass die weitaus große Mehrheit der Palästinenser schon damals, wie heute, für Frieden mit Israel eintrat, und seinerzeit den beschlossenen Abzug der Briten aus Palästina und die Errichtung zweier Staaten befürwortete. Selbst Ben-Gurion musste später eingestehen, dass lediglich fünf der etwa 500 arabischen Dörfer Widerstand gegen Israel leisteten. Wahrheit ist aber auch, dass die von den Briten eingesetzte reaktionäre Führung im ‘obersten Palästinarat’ unter Leitung des mit Hitler kollaboriert habenden Großmufti, Hadj Amin Abd-el Husseini, den UN-Beschluss kategorisch abgelehnt hat und an dem tragischen Schicksal der Palästinenser mitverantwortlich war.

Wahrheit ist auch, dass die mit der Ausrufung des israelischen Staates begonnene Invasion der arabischen Armeen von den Briten inszeniert und gelenkt war. Der Oberbefehlshaber der ‘vereinigten’ arabischen Armeen war der in der transjordanischen ‘Arabischen Legion’ dienende britische General Sir John Glubb (Glubb-Pascha). Ich kann ebenfalls Ben-Gurion zitieren, welcher seinerzeit erklärte, dass jeder Tropfen Blut, der in diesem Krieg (1948) verschüttet wurde, auf die Häupter der britischen Regierung falle.«

Diese gar nicht im Trend der Palästinenserfreunde liegenden Aussagen sind dokumentiert im »Trend«, in dessen Online-Archiv 1998. (18)

Die Lage, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Palästina entsteht, ist verursacht durch den Kampf zwischen Großbritannien und den USA um die Vorherrschaft in der Region. Die Briten wollen das Gebiet von den Vereinten Nationen wieder als Mandatsgebiet zugesprochen bekommen und hintertreiben deshalb den Teilungsbeschluss. Die USA gedenken ihrerseits Großbritannien als dominierende Macht abzulösen, daher ihr Antrag an die Vereinten Nationen, noch im April 1948, den Teilungsbeschluss zu revidieren. Das Schicksal Israels und der Palästinenser interessiert dabei in dem Maße, wie beide Konfliktparteien wiederum zur Festigung der Macht eingesetzt werden können.

Entscheidungen wie die der Briten, den ultra-nationalistischen religiösen Fundamentalisten und Nazikollaborateur Hadji Amin al-Husseini in diesem Kampf einzusetzen, zeigen, dass jedes Mittel recht ist. Daran hat sich bis heute nur geändert, dass die Staaten der EU, allen voran Deutschland und Frankreich mitmachen im Kampf, der sich auf alle arabischen Staaten erstreckt. Ein Frieden zwischen Israel und einem endlich gegründeten palästinensischen Staat hätte auf den geostrategischen und wirtschaftlichen Einfluss der Großmächte negative Auswirkungen. Eine Zurückdrängung des Hasses und des Fundamentalismus wäre die Folge. Ein solcher Frieden und nicht noch mehr Krieg im Irak und weiteren islamischen Staaten hätte einen positiven Domino-Effekt in den arabischen Staaten, deren Bevölkerung bis heute durch das Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge abgelenkt und in eine fundamentalistisch-nationalistische Richtung getrieben wird, statt die Vertretung ihrer Interessen gegenüber Usurpatoren, korrupten Diktatoren und Königen in die Hand zu nehmen.

Die United Nations Relief and Works Agency (UNRWA) wird jährlich von der »internationalen Staatengemeinschaft« mit Millionen Dollar ausgestattet, um die Flüchtlinge am Existenzminimum zu halten. Die EU zahlt die Schulbücher, in denen die Kinder Hass auf Israel und eine verfälschte Geschichte gelehrt werden.

Im Jahr 2001 gibt es in Israel einen großen Geschichtsbuchskandal, über den die Neue Zürcher Zeitung berichtet:

»Als man aber über die Hysterie hinaus dazu gelangte, sich das Schulbuch tatsächlich anzuschauen, war auch die Überraschung unter den linken Lesern nicht gering. So wurde der Unabhängigkeitskrieg Israels gegen die arabischen Armeen hier nur mit einer großen Landkarte illustriert, die Umfang und Richtung der palästinensischen Flüchtlingsströme aus Israel zeigte - ohne dass umgekehrt auch die Invasion der arabischen Armeen nach Israel dokumentiert wurde. Von einem Doktoranden konzipiert, veranschaulicht das Lehrbuch mit solchen und ähnlichen Dekontextualisierungen eine dem Postzionismus inhärente Tendenz, die im Namen des Anderen und des Opfers die Mythen durch Tatsachen zu dekonstruieren vorgibt - um an den Tatsachen vorbei zuletzt einen neuen Mythos zu entwerfen, der dann auch keinen anderen mehr duldet. Eben diese Grenzüberschreitung von einer aufklärerischen Kritik der Mythen zu einem methodischen Antizionismus kompromittiert nicht nur die linke Kritik, sondern sie bietet auch ihren Gegnern ein allzu leichtes Spiel.«

An israelischen Landkarten hingegen wird bereits moniert, wenn auf ihnen nicht mehr existierende arabische Dörfer nicht eingezeichnet sind, »dass die israelische Landkarte die einstige Topographie des Landes mit seinen zahlreichen arabischen Dörfern praktisch aus dem Gedächtnis ausgelöscht hat«. (19)

Die Herrscher der arabischen Staaten danken der »internationalen Staatengemeinschaft« deren Verbundenheit mit den Palästinensern mit günstigen Erdölpreisen und mit der Bereitstellung von Militärstützpunkten. Yasser Arafat, und die diversen palästinensischen Terrorbanden dienen der Aufrechterhaltung des Status quo. Die Interessen der Israelis und der Palästinenser werden dabei soweit berücksichtigt, wie an diesem Status quo nichts grundsätzlich verändert wird - also gar nicht.

Drei Linke über Flucht und Vertreibung der Palästinenser: »Schuld und Erinnerung«

Meir Vilners Ansichten sind bei nahezu sämtlichen Linken nicht im Trend.

Es gibt allerdings noch einige Linke in Deutschland, die Solidarität mit Israel üben. Sie repräsentieren ein breites Spektrum. Zu ihnen zählen die Autoren der exzentrischen »Bahamas«, die »Rote Ruhr Uni« aus Bochum, das Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus, der »Trend-Online«, die Mehrheit der Autoren der »Konkret« und der Diskutanten auf dem Online-Portal »x-berg« und andere kleine Linksgruppen. Zu diesen gehört bis zum Dossier der Autoren Klaus Holz, Elfriede Müller und Enzo Traverso »Schuld und Erinnerung«, im November 2002, auch die »Jungle World«. (20)

Der Text löst rege Diskussionen innerhalb der Linken, u.a. auch in der »Jungle World« selbst aus. Er ist mit einer umfangreichen Zusammenstellung der Diskussionen sowie interessanten Links zum Thema auf »D-A-S-H« dokumentiert. (21)

Über den Text kann man sagen, dass alles dort geäußerte mindestens mangelhafte Geschichtskenntnisse beweist, wahrscheinlich aber noch mehr, denn das Existenzrecht Israels wird von diesen Autoren nur bedingt »gewährt«, wenn sie schreiben:

»Unsere Kritik richtet sich vor allem gegen die linken Positionen, die eine bedingungslose Solidarität mit Israel und generell der Judenheit einfordern.«

»Sich bedingungslos hinter den Staat Israel (zu) stellen, völlig gleichgültig, welche Politik dessen Regierung betreiben mag«, kommt für sie nicht in Frage. Sie unterscheiden nicht zwischen israelischer Politik und dem Staat Israel. Als Ausrutscher oder unglückliche Äußerung kann das nicht angesehen werden, denn an anderer Stelle wenden sie sich gegen den Slogan »Solidarität mit Israel«, als wenn er geheißen hätte »Solidarität mit Ariel Scharon und seiner Politik«. Wer aber Solidarität mit Israel übt, kann für die Autoren keine Solidarität mit den Palästinensern üben. Weiter behaupten sie, Israel wolle einen ethnisch und religiös homogenen Staat, wobei sie nicht wissen oder vorgeben, nicht zu wissen, dass heute schon nahezu ein Drittel der israelischen Bevölkerung keine Juden sind.

Im Jahre 2002 sind laut dem israelischen statistischen Amt 25 Prozent der Bevölkerung Israels Nichtjuden, zwei Prozent mehr als 2001. Nach Erhebungen des Center for Issues of Assimilation der Bar Ilan Universität in Ramat Gan, bei Tel-Aviv, sind 28 Prozent der israelischen Bevölkerung Nichtjuden. Je jünger die Bevölkerungsgruppe, desto größer ist der Anteil der Nichtjuden an ihr. Heute ist eines von zwei Neugeborenen ein nichtjüdisches Kind, und zwar von Arabern, von nichtjüdischen Einwanderern oder von Gastarbeitern, die sich in Israel niedergelassen haben. (22)

Verquere oder nicht vorhandene Geschichtskenntnisse der Autoren führen sie zur Verdrehung von Aktion und Reaktion:

»Linke Solidarität sollte sich vor allem an die in der Gegenwart Unterdrückten richten, also an PalästinenserInnen. Die israelische Besatzung ist der Ausdruck eines Staatsterrorismus, die palästinensische Gewalt ist eine Reaktion darauf.«

An anderer Stelle erhärten sie ihren Vorwurf nochmals, dass »die palästinensische Gewalt ein Resultat des israelischen Staatsterrorismus darstellt.« Die Homizidbomber begehen »Akte der Verzweiflung«. Immerhin räumen sie ein, dass sie »zudem ... ein Teil der militärischen Strategie unter anderem der Hamas« seien, »die die Verzweiflung instrumentalisiert.« Was es mit diesen angeblichen Akten der Verzweiflung auf sich hat, untersucht der Psychologieprofessor an der Tel Aviver Universität Ariel Merari, der seit Jahren auf dieses Phänomen spezialisiert ist:

»Seine Erkenntnis: Der radikale Islam allein taugt nicht als hinreichendes Erklärungsmuster. Die Selbstmordbomber lassen sich auch nicht mit dem Hinweis auf arme Psychopathen oder klassische Suizidkandidaten erklären. ‘Der eigentliche Schlüssel ist der Gruppendruck’, hat Merari in seiner Untersuchung von über 50 Täterprofilen entdeckt.« (23)

Hier geht es nicht einmal um die Diskussion, was früher da war, das Huhn oder das Ei. Selbst dann wäre die Äußerung der drei Autoren zurückzuweisen, sondern es geht darum, dass die arabisch-palästinensische Gewalt zuerst da ist, und zwar seit 1920. Darauf weisen auch Ole Frahm und Freunde in einer Erwiderung in der »Jungle World« hin, wobei »die Ablehnung des Teilungsplanes der Vereinten Nationen (UN) durch die arabischen Staaten im Jahr 1948« noch gelinde ausgedrückt ist. Unmittelbar nach dem UN-Beschluss Nr. 181, vom 29. November 1947 beginnen die aus Kairo vom Mufti Hadj Amin al-Husseini und der Geistlichkeit der al-Azhar-Universität angestachelten, von den Briten organisierten Ausschreitungen gegen die Juden, die am 15. Mai 1948, einen Tag nach der Staatsgründung, in einen Krieg der arabischen Staaten gegen Israel ausarten. Gegen eine gewaltige Übermacht kann Israel sich behaupten. Am 24. Februar 1949 schließt Israel mit den arabischen Staaten einen Waffenstillstand ab. Seit der Zeit gibt es zwischen den arabischen Staaten und Israel keine Friedensverträge, mit der Ausnahme Ägyptens, das am 26. März 1979 mit Israel Frieden schließt.

Ole Frahm und Freunde schreiben:

»Wie sehen die Fakten aus? Für die AutorInnen ist Israel für den Nahostkonflikt verantwortlich. Die erste und die zweite Intifada seien von der israelischen Politik verursacht worden. ‘Die palästinensische Gewalt ist ein Resultat des israelischen Staatsterrorismus’, ist in ihrem Beitrag zu lesen. Bereits in der Darstellungsweise dieser Faktenlage drückt sich die Sehnsucht nach einfachen Wahrheiten aus.

Denn der Nahostkonflikt hat viele Ursachen. Dazu gehören die Kolonialpolitik der letzten beiden Jahrhunderte, der europäische Antisemitismus und die Vernichtung der europäischen Juden ebenso wie die Ablehnung des Teilungsplanes der Vereinten Nationen (UN) durch die arabischen Staaten im Jahr 1948. ...« (24)

Selbstverständlich fehlt im Text von Klaus Holz, Elfriede Müller und Enzo Traverso auch nicht der Hinweis auf Bat Schalom und Gush Schalom, auf die israelischen »neuen Historiker« Ilan Pappe und Benny Morris, und auf Juden aus dem Linksspektrum, wie Hanno Loewy, den ehemaligen Direktor des Fritz Bauer Instituts, sowie auf Daniel Bensaid und Sébastien Jolivet von der linksradikalen »Ligue communiste révolutionnaire (LCR)« des Alain Krivine und seines Briefträgers von Neuilly Olivier Besancenot sowie auf Daniel Mermet, von France Inter, den beliebten Rundfunkjournalisten der Sendung »Là-bas si j’y suis ...«, und ATTAC-Mitbegründer, der keine Gelegenheit auslässt, sich in seinen Sendungen israel-feindlich und kritiklos pro-palästinensisch zu äußern.

Daniel Mermet interviewt im Oktober 1998 den SS-Offizier und letzten KZ-Arzt von Auschwitz Hans Münch, den er auf einen SPIEGEL-Bericht von 1998 hin persönlich in Roßhaupten im Allgäu aufsucht, über seine Ansichten über Juden und Zigeuner. Für die rassenhetzerischen Äußerungen, die Hans Münch in dem Interview tut, und die Daniel Mermet im Radio ausstrahlt, wird Hans Münch 2001 verurteilt. Verantwortung übernimmt Daniel Mermet dafür nicht.

Vom 18. bis 22. Juni 2001 sendet Daniel Mermet täglich über die Ereignisse in Israel und den palästinensischen Gebieten. Zur Einstimmung in die Sendungen spielt er auf seinem Anrufbeantworter empfangene Hörerkommentare zur aktuellen Lage im Vorderen Orient, und zwar auch übelste antisemitische und israelfeindliche, als Dokumentation vor.

Licra und andere antirassistische Vereinigungen verklagen ihn daraufhin wegen Aufforderung zum Rassenhass. Das Gericht meint, Daniel Mermet wäre nur Zeuge. Er könne zu den inkriminierten Äußerungen der Hörer gar nichts und spricht ihn frei. Sein Rechtsbeistand ist Jean-Yves Halimi, der Bruder des Redakteurs der »Le monde diplomatique« und ATTAC-Mitbegründers Serge Halimi. Es ist in Frankreich gestattet, antisemitische hetzerische Ansichten, wie die des uneinsichtigen Hans Münch, und eben solche Hörerkommentare zu senden. (25)

Klaus Holz, Elfriede Müller und Enzo Traverso scheinen das in Ordnung zu finden. Sie bedauern den Fall als »Ausdruck des Niedergangs einer politischen Debatte«, womit sie allerdings recht haben, wenn auch nicht so, wie sie es wohl meinen.

Im letzten Drittel ihres langen Textes kommen sie auf die »palästinensische Erinnerung«. An Verbrechen an Juden hätten die Palästinenser nicht teilgenommen, die Israelis beraubten sie aller Rechte. Ihr Verständnis von geschichtlichen Zusammenhängen und Verantwortung für Taten und Unterlassungen dokumentieren Klaus Holz, Elfriede Müller und Enzo Traverso mit ihrer Einschätzung der »Naqba«:

»Weit davon entfernt, eine befreiende Wirkung zu haben, traf die Gründung Israels mit der Naqba, der Katastrophe, zusammen.«

Das ist eine unübertroffene Formulierung. Die beiden Ereignisse »trafen zusammen«. Kausale Zusammenhänge gibt es für die Autoren keine, genauso wenig wie hier: »Der Krieg von 1948 (bedeutete) die Vertreibung der PalästinenserInnen aus ihrer Heimat«, schreiben sie und beziehen sich auf die »neuen Historiker« in Israel. Das anzuerkennen, sei ein »erster Schritt eines jüdischen Verständnisses der palästinensischen Erinnerung«. Wie die »neuen Historiker« nehmen sie es mit den Details nicht so genau, um die gehe es nicht. Eine neue Geschichtsschreibung bricht an. Die palästinensische Führung und die Herrscher der arabischen Staaten können zufrieden sein und abwarten:

»Kein Land der Arabischen Liga hat Interesse, einen Krieg mit Israel zu beginnen, den es militärisch nur verlieren könnte.«

So ist es, denn das hätten sie, auch wenn sie militärisch besser gerüstet wären, gar nicht nötig. Bei diesem Zermürbungskampf machen nicht nur die arabischen Staaten, sondern auch die »internationale Staatengemeinschaft« mit. Israel verschleißt sich und blutet aus, wenn das so weitergeht. Dann erledigt sich auch die Frage nach »der internationalen Akzeptanz des Staates«. Solidarität mit Israel braucht dann niemand mehr zu üben, auch Klaus Holz, Elfriede Müller und Enzo Traverso nicht. Sie wären einer Entscheidung enthoben.

»Wir wünschen Ihnen eine gesegnete Reise«

Kommen wir nun zur linken Zeitung »Junge Welt«, in der niemals ein israel-freundlicher Artikel zu lesen ist, sondern in der sich die Antisemiten und Israelfeinde die Feder in die Hand geben. Am 18. Januar 2003 erscheint dort ein Artikel der Berliner Friedensaktivistin Julia Deeg (26) über Befürchtungen einer Deportation der Palästinenser aus Israel in das benachbarte Jordanien oder in einen anderen arabischen Staat. »Wir wünschen Ihnen eine gesegnete Reise« ist der Beitrag überschrieben. Im Text heißt es:

»Genauso, wie unsere Leute aus arabischen Staaten nach Israel immigrierten, werdet ihr in die arabischen Staaten immigrieren.« Dies sei »eine der gängigen Methoden im 21. Jahrhundert, Dispute unter Menschen zu lösen. Wir wünschen euch eine gute Eingewöhnung in euer neues Heim.«

Es ist selbstverständlich, dass nicht mit einem einzigen Wort auf den ersten Teil des Satzes eingegangen wird, die Flucht und Vertreibung, seit 1948, der 850 000 Juden aus arabischen Staaten, in denen sie und ihre Vorfahren teils seit 2500 Jahren leben, sondern diese Information bleibt wie zufällig in dem Zitat, weil sonst der makabre Witz nicht gebracht werden kann. Das Schicksal der Juden interessiert die Autoren der »Jungen Welt« nicht, sondern nur die »Naqba«. Geschichtliche Zusammenhänge erfährt man in der Zeitung nicht einmal ansatzweise, denn sie würden das festgefügte Weltbild nur stören. Zur »Naqba« heißt es schlicht und zusammenhanglos:

»Das palästinensisches Wort Naqba bedeutet im Arabischen ‘Katastrophe’ und nimmt Bezug auf die Vertreibung und Ermordung Tausender Palästinenser im Zuge der Errichtung Israels im Jahr 1948.«

Die den Juden seit 1920 aufgezwungenen Verfolgungen und Kriege der arabischen Staaten werden subsummiert unter »im Zuge der Errichtung Israels im Jahre 1948«. Fertig.

Der inzwischen bei den deutschen Palästinenserfreunden als Referent und Gesprächspartner sehr beliebte, als »einer der Hoffnungsträger unter den palästinensischen Politikern« (27) bezeichnete Arzt Mustafa Barghouti, Direktor des Instituts für Gesundheit, Entwicklung, Information und Politik in der Westbank sowie Gush Schalom äußerten sich besorgt, es habe schon einen Likud-Minister gegeben, der die Palästinenser mit einer zweiten Naqba bedroht hätte, womit wahrscheinlich der im Oktober 2001 von palästinensischen Terroristen ermordete Tourismusminister Rechavam Zeevi gemeint ist. Seine Mörder laufen heute noch frei herum.

Julia Deeg schildert, dass es sich bei dem Aufruf um eine Mobilisierungskampagne von drei rechten israelischen Parteien zu den Wahlen, vom 28. Januar 2003, handele. Die Provokation wird schon aus dem Begriff »Selbsttransfer« deutlich:

»Im Zuge eines Aufrufs zum freiwilligen ‘Selbsttransfer’ im Rahmen einer von ihnen gestarteten Werbekampagne auf der ‘National Unions Party´s Website’ zu den Wahlen in Israel am 28. Januar wünschten sie den Palästinensern ‘eine gesegnete Reise in den palästinensischen Staat, der schon eine Weile’ existiere, - Jordanien.« (28)

Dort ist die Beliebtheit der Palästinenser seit dem »Schwarzen September«, sicherlich nicht angestiegen, im Wirtsland Libanon ebenfalls nicht. Dort ist nämlich seit dem Einzug der Palästinenser Schluss mit der »Schweiz des Ostens«.

Es wird nicht erklärt, wie die israelische Regierung Jordanien, den Libanon oder andere arabische Staaten überzeugen will, die Palästinenser aufzunehmen. Seit nunmehr 55 Jahren geht es darum, dass alle arabischen Staaten den Palästinensern eine Integration verweigern und sie als Faustpfand in elenden Lagern halten, und das nicht nur mit Duldung, sondern mit ausdrücklicher Unterstützung der »internationalen Staatengemeinschaft«. Es wäre den reichen Erdölländern ein leichtes gewesen, die Palästinenser zu integrieren, aber sie leisten sich eher Philippinos, Inder und Pakistaner als Arbeitskräfte, als etwas für ihre »arabischen Brüder« zu tun. Im Gegenteil, Kuwait vertreibt sie im Zuge des Ersten Golfkrieges und seiner Freundschaft zu den USA, so dass sich ihre Zahl von August 1990 bis Mai 1992 von 400 000 Palästinensern auf ca. 40 000 Palästinenser verringert.

Der Artikel von Julia Deeg wird von der auf dem Gebiet Antisemitismus und Israelfeindschaft bemerkenswerten »Fundgrube« des Marketingberaters Rudolf O. Brändli, aus Winterthur, übernommen sowie von »www.freepalestine.de - Freiheit für Palästina - Kampagne zur Befreiung von Marwan Barghouti und allen palästinensischen politischen Gefangenen«. (29)

Es lohnt sich, dort die Startseite (30) aufzurufen. Man findet eine Pressemitteilung »Marwan Barghouti sofort freilassen« des Europaabgeordneten der PDS André Brie, vom 29. September 2003:

»Das Verfahren gegen den Fatah-Führer ist ein politischer Schauprozess, mit dem insbesondere die gemäßigten palästinensischen Kräfte und der legitime Widerstand gegen die Besatzung diskreditiert und kriminalisiert werden sollen….«

Weiterhin gibt es viele Aufrufe und Texte, u.a. von Shraga Elam, aus den Marxistischen Blättern Spezial, vom Februar 2003, die Ankündigung von Konferenzen und eines Aktionstages gegen die Mauer in Palästina. Blickfang der Startseite ist eine Graphik von Marc Rudin alias Jihad Mansour. Zu sehen sind zerbrochene Gitterstäbe eines Kerkers, und an einem dieser Stäbe hängt ein Pali-Tuch, das die Form Palästinas hat, ganz Palästinas, Israel eingeschlossen. Die Graphik ist vom Mai 1984 und gedenkt des 17. April, des Tages der Gefangenen: »Freiheit für alle palästinensischen Gefangenen«. Für Jihad Mansour ist die Zerstörung Israels Programm. Das zeigt auch sein Poster zum 14. Jahrestag der Popular Front for the Liberation of Palestine ( PFLP) »Der 14. Kongress ebnet den revolutionären Weg nach Palästina«. Ein machtvoller roter Pfeil stößt mitten hinein in den Staat Israel. (31)

Die PFLP ist eine am 11. Dezember 1967 von George Habash gegründete islamistisch-nationalbolschewistische Partei. Bis zum Jahr 2000 ist er ihr Generalsekretär. Sein Nachfolger, bis 27. August 2001, da er von der israelischen Armee mit einer gezielten Attacke getötet wird, ist Mustafa Ali Kasam Zabiri alias Abu Ali Mustafa. Er ist im Oktober 1977 der Mitorganisator der Entführung der Lufthansa-Maschine durch arabische Terroristen zur Freipressung von elf deutschen RAF-Terroristen sowie zwei türkischen Terroristen. Ab 3. Oktober 2001 ist Generalsekretär der PFLP der extreme Ahmed Sadat, den man in Verdacht hat, die Ermordung des israelischen Tourismusministers Rechavam Zeevi organisiert zu haben. Es dürfte wohl unstrittig sein, dass die Betreiber der Web Site »Freiheit für Palästina« die PFLP kennen und die Graphik bestens interpretieren können. Das ganze Palästina in den Grenzen vor der Teilung soll es sein. Dort fühlt man sich verbunden mit André Brie und Julia Deeg.

Ach, ja, »das Ereignis« Nina Hagen, die Sopranistin (»Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael«), fühlt sich ebenfalls verbunden mit Julia Deeg. Sie dreht im Jahr 2002 einen Film über Berlin:

»5. Und wer muss unbedingt dabei sein?

Julia Deeg . . . die junge Berlinerin, die neulich im Kugelhagel wochenlang bei Arafat ‘festsaß’ ...

6. Welche Rolle würden Sie in Ihrem Film spielen, und sei es nur eine winzige Nebenrolle?

Ich bin die Nina Hagen, die wunderbaren Menschen begegnet ...

Ich erzähle der Julia Deeg von dem Mord, der an meinem Großvater in Sachsenhausen verübt wurde! Und über die Folterungen, die mein Vater im Gefängnis erlitten hat! ....« (32)

Ob ausgerechnet das die Friedensaktivistin interessiert? Wohl kaum, denn sonst hielte sie sich nicht monatelang bei Yasser Arafat auf und schriebe keine Artikel, wie den in der »Jungen Welt«.

Das »Massaker von Tantura«

Seit Ende der 80er Jahre wirken in Israel die Postzionisten, die schon erwähnten »neuen Historiker«. Sie sind im Begriff, die israelische Geschichtsschreibung zu revidieren, die bislang von der »Reinheit der Waffen« ausgegangen sei. Demnach wären nur Kriegsverbrechen auf arabischer Seite, nicht aber auch seitens der jüdischen und der israelischen Kämpfer vorgekommen. Diese Behauptung ist unrichtig, es gibt allerdings große Unterschiede der Definition und Einschätzung derartiger Kriegshandlungen und Kriegsverbrechen, beispielsweise über Art und Anzahl der als Massaker bezeichneten Maßnahmen, die Anzahl geräumter Araberdörfer, der dabei Getöteten usw. Methodisch tut sich bei den »neuen Historikern« ebenfalls einiges. Sie benutzen laut eigener Aussage nicht gern Archive und primäre Quellen, es sei denn, sie ergänzen die Dokumente phantasievoll. Professor Ilan Pappe (Jahrgang 1954) vergleicht dieses Herangehen mit dem der Archäologie. Abschnitte, die nicht dokumentarisch zu belegen seien, würden aus der Sicht der Gegenwart hinzugefügt. Zu deutsch heißt das Geschichtsklitterung.

Ilan Pappe sagt, er sei nicht so sehr an dem interessiert, was geschehen ist, als an dem, wie Menschen das sehen, was geschehen ist. Die Aufmerksamkeit der »neuen Historiker« gilt den heute noch lebenden Zeitzeugen und deren subjektiver Darstellung der Geschehen. Das ist ein weites Feld bei der sprichwörtlichen orientalischen Erzähl- und Fabulierfreudigkeit. Ihr Interesse gilt auch solchen historischen Ereignissen, die gar nicht eintraten, spekulativen Erwägungen. Moshe Zimmermann nennt sie, wie erwähnt, »kontrafaktische Fragen«. Schon in der Fragestellung liegt dann der Vorwurf, Gelegenheiten verpasst zu haben, die Beschuldigung aus der Perspektive der Gegenwart. Wir sehen es bei Moshe Zimmermann, der sich Gedanken macht darüber, was gewesen wäre, wenn Israel nicht gegründet worden wäre. Seltsamerweise stellen sich Moshe Zimmermann und die anderen Grübler nicht die Frage, was gewesen wäre, wenn der Mufti Hadji Amin al-Husseini im März 1920 nicht die Araber aufgehetzt hätte, wenn die Deutschen die Aufstände 1936 bis 1939 nicht finanziell und mit Waffen unterstützt hätten, wenn die arabischen Staaten die UN-Resolution Nr. 181, vom 29. November 1947 anerkannt hätten usw.

Die neuen Methoden der Erzählkunst und der »archäologischen Ergänzung« werden von deutschen Palästinenserfreunden ebenfalls freudig aufgegriffen. Bei den Recherchen zu diesem Beitrag beispielsweise finden sich auf ihren Web Sites als Anzahl geräumter Araberdörfer zwischen 375 und 700. Belegt wird nichts. Die Phantasie blüht. Nirgends steht dort auch etwas über die dokumentierte Auslöschung jüdischer Dörfer. Karl Pfeifer schreibt dazu in seinem in die bizarre Welt der »neuen Historiker« einführenden Artikel, nichts werde erwähnt davon, dass »in den Gebieten, in denen die Juden 1948 eine Niederlage erlitten, kein einziger Jude - auch kein antizionistischer orthodoxer - bleiben durfte, und die jüdischen Siedlungen dem Erdboden gleichgemacht wurden.« (33)

Diesen Ansatz kennen wir schon aus der Berichterstattung über Flüchtlinge und Vertriebene in Folge des israelischen Unabhängigkeitskrieges. Das Schicksal der Juden wird gar nicht thematisiert, außer es dient Palästinenserfreunden wie der Friedensaktivistin Julia Deeg als Einleitung zu einem Witz.

Am Fall des angeblichen Massakers von Tantura kann man ermessen, wohin die neuen Methoden der Geschichtsschreibung führen.

Im Frühjahr 2000 informiert der Student Teddy Katz, ein Schüler des »neuen Historikers« Prof. Ilan Pappe, die israelische Zeitung Ma’ariv über seine sensationellen Forschungsergebnisse, zu denen er im Rahmen seiner Magisterarbeit an der Universität Haifa gekommen sei, über ein Massaker, das am 23. Mai 1948 in Tantura verübt sein soll. Von diesem »Massaker«, bei dem mehr als 200 unbewaffneter schutzloser Dorfbewohner umgebracht worden seien, »weiß« bis zur Veröffentlichung der These von Teddy Katz in der Zeitung Ma’ariv nur der längst verstorbene Tantura-Einwohner Imam Scheich Mohamed Nimr al-Khatib, Mitglied des Arabischen Nationalkomitees. Er veröffentlicht seine »Erinnerungen« in Damaskus, im Jahre 1951. Niemand, auch nicht der von Salah Abd el Dschawad darob gescholtene »große palästinensische Intellektuelle und Historiker« Walid Khalidi wissen von einem solchen Massaker, obgleich israelische Wissenschaftler wie der Militärhistoriker Professor Uri Milstein sich seit fünfzig Jahren mit Recherchen zur Kriegsgeschichte Israels befassen, und auch arabische Wissenschaftler wirklich alles tun, um Israel Massaker und andere Kriegsverbrechen nachzusagen. Die internationale Presse ist seinerzeit voll von Berichten über angebliche Massaker von Deir Yassin, Kfar Qasim und anderen Ereignissen.

Am 15. Februar 2000 erscheinen auf der Web Site der Palestinian National Authority (PNA) erstmalig ein ausführlicher Bericht über das »Tantora Massacre« sowie die angeblichen Äußerungen von Zeugen: »Zeugen schildern die Geschichte der professionellen Tötung«. (34) Heute ist kein Mangel mehr an weiteren »Überlebenden«. Aber, wo waren sie von 1948 bis 1999?

Teddy Katz hat die Aussagen sowohl der palästinensischen »Zeugen« als auch der israelischen »Täter« mitgeschnitten. Niemand stellt sich die Frage, woher plötzlich Dutzende von Zeitzeugen kommen sollen. Sie leben heute fast alle im Dorf Faradis. Dort sollten sie sich niemals über ein so gravierendes Ereignis unterhalten, niemand sollte das den palästinensischen Führern berichtet haben? Niemand stellt sich die Frage, wieso die erfahrenen Veteranen der Alexandroni-Brigaden, von denen heute keiner jünger als 75 Jahre ist, sich einem Studenten gegenüber der Kriegsverbrechen bezichtigen sollten. Als die Veteranen der Alexandroni-Brigaden aus der Zeitung erfahren, was aus ihren Aussagen geworden ist, klagen sie gegen Teddy Katz.

Die mitgeschnittenen Aussagen werden daraufhin vom Gericht geprüft, und es stellt sich heraus, dass seine Forschungsarbeit »Fälschungen und Lügen enthält«, schreibt Giora Erdinast, der Rechtsanwalt der Kläger am 6. Juli 2003 in der israelischen Zeitung Ha’aretz:

»Sowohl jüdische als auch arabische Zeugen haben - trotz Drängens von Katz - energisch die Behauptung dementiert, dass nach der Kapitulation des Dorfes sich ein Massaker ereignet hätte. Sie wurden trotzdem in der Arbeit von Katz zitiert, als ob sie das Gegenteil gesagt hätten. Menschen, die Katz mitgeteilt haben, dass sie am Tag der Eroberung nicht im Dorf waren, wurden zitiert, als ob sie dort gewesen und Zeugen eines Massakers geworden wären.«

Das Dorf, an der Hauptstraße von Haifa nach Tel Aviv gelegen, sei strategisch wichtig gewesen, weil darüber der Schmuggel von Waffen und Lebensmitteln organisiert gewesen sei. Es habe eine Schlacht gegeben, in der die Israelis 14 Leute verloren hätten. Zu der Zeit wären bereits 99 Prozent der Dorfbewohner abtransportiert worden, die meisten nach Faradis, sagt ein Veteran vor dem Gericht aus.

»Als während seiner Befragung im Gericht seine Schande offenbar wird, sagt Katz im Zeugenstand: ‘Ich habe nie, nirgendwo jemandem gesagt es hätte in Tantura ein Massaker gegeben. Auch jetzt sage ich, es gab kein Massaker in Tantura.’ « Seine Äußerungen wären von der Zeitung missverstanden worden.

Auf Empfehlung seines Rechtsanwaltes unterzeichnet er einen Entschuldigungsbrief und verpflichtet sich, ihn in zwei israelischen Tageszeitungen zu veröffentlichen. Dem kommt er nicht nach, und die Veteranen veröffentlichen den Brief ihrerseits. Teddy Katz dagegen widerruft seine Aussagen unmittelbar hinterher und behauptet, man habe ihn unter Druck gesetzt. Auch die Universität von Haifa untersucht die Forschungsergebnisse von Teddy Katz und kommt zu dem Ergebnis der Fälschung. Sie gestattet Teddy Katz dennoch, die Arbeit nachzubessern, was er unterlässt, und die Arbeit, die zuvor eine Wertung von 97 zu 100 Punkten erhält, wird verworfen.

Teddy Katz habe für seine Arbeit von der PLO 10 000 Schekel (etwa 1 900 Euro) erhalten, wie die Zeitung Yedioth Achronoth, am 1. September 2002, berichtet, und woran er auf Nachfrage nichts Schlechtes gefunden habe. »Geschichte als Magd der Politik«, schreibt der Rechtsanwalt der Kläger. (35)

Worin liegt nun das Politische, das von der PLO mit 10 000 Schekel wirklich weit unter Wert gekauft wird, was aber Teddy Katz wohl als Abtragen einer »Schuld« Israels gegenüber den Palästinensern begreifen mag, als »Wiedergutmachung«?

In den offiziellen Medien der PLO und der PNA wird die Nachricht vom »Massaker in Tantura« umgehend verbreitet, eine Menge angeblicher arabischer und jüdischer Zeitzeugen werden mit ihren »Äußerungen« zitiert, und die internationalen Medien der Palästinenserfreunde verbreiten sie sofort weiter. (36) Es ist nicht von Bedeutung, dass die Fakten anders liegen. Das Dementi bleibt unwirksam.

Das erinnert an die Schilderung des Propagandafeldzuges gegen die Serben durch die US-amerikanische Firma Ruder Finn (»number 1 in client satisfaction«), deren Firmenchef dem französischen Journalisten Jacques Merlino gegenüber ausplaudert, wie er für seine Auftraggeber Nachrichten, ob wahr oder erfunden, schnellstens an ausgewählte Multiplikatoren streut, und dass »nur zählt, was einmal behauptet wurde. Dementis sind dagegen völlig unwirksam.« Die Firma ist besonders stolz darauf, die Juden der USA auf die Seite der »internationalen Staatengemeinschaft« und deren Absichten gezogen zu haben. Der Trick war, in der New Yorker Zeitung »Newsday« die Ereignisse in Kroatien, im August 1992, umzuschreiben und über angebliche serbische Konzentrationslager zu berichten. Dieses Reizwort reichte aus, um drei große jüdische Organisationen aufzubringen. Protestkundgebungen wurden organisiert und die Serben wurden »im Handumdrehen« mit den Nazis gleichgesetzt. (37)

Es wird behauptet, Teddy Katz sei gezwungen worden zu widerrufen. Auf Grund seiner angeschlagenen Gesundheit habe er nicht standhalten können und in einem Augenblick der Schwäche nachgegeben. Wenn Israel dieses und die anderen Massaker nicht eingestehe, könnten die Palästinenser keinen Frieden mit ihnen schließen, erklärt Ramzy Baroud. So gibt es für die palästinensische Führung einen weiteren Vorwand zu Terroranschlägen.

Eine politische Folge der »Entdeckung« des Massakers ist auch, dass im Dorf Faradis, in dem viele aus Tantura Vertriebene und ihre Nachkommen leben, und in dem bislang keine Gewalt und Aufstände zu verzeichnen sind, im September 2000 ein gewalttätiger Aufstand ausbricht.

Hans Lebrecht schreibt in der »Jungen Welt«, vom 13. Februar 2001, einen Artikel über die militärische Karriere des Ariel Sharon. Darin steht, gleich im zweiten Absatz, dass Ariel Sharon im israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948/49 Zugkommandeur in der Alexandroni-Brigade gewesen sei, eben der jetzt von Teddy Katz verleumdeten. Der Artikel wird umgehend auf die anti-israelische Web Site von Gerhard Lange und seiner »Gesellschaft für internationale Verständigung« übernommen, mit vielen weiterführenden Links. (38) Es ist also klar, was die Stoßrichtung der Forschungsarbeit des Teddy Katz ist.

Gerhard Lange unterhält auch eine erlesene Seite »Initifada - Palästina«, mit ausgewählten Gedichten von Erich Fried und vielen Fotos von der Intifada, mit steinewerfenden Kindern und hilflos die Arme emporwerfenden Frauen. (39)

Auch im Telepolis darf die Debatte nicht fehlen. »Die Offenheit und der Pluralismus sind in Israel verschwunden. Gespräch mit Ilan Pappe, der wegen seiner politischen Ansichten von der Universität entlassen werden soll, über die geistige Situation in Israel«, betitelt Max Böhnel ein Interview mit Ilan Pappe, dem Lehrer des Teddy Katz. (40) Max Böhnel ist in Deutschland geboren und lebt seit vielen Jahren in New York. Er ist Mitarbeiter des Journalistenbüros European Media, das im Auftrag von über 100 verschiedenen Medien täglich aus den USA berichtet. Zu seinen Spezialgebieten gehören amerikanische Politik und Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft.

Ilan Pappe habe die »Theorie einer postzionistischen Gesellschaft« mitentwickelt. Ilan Pappe »ist einer der führenden ‘new historians’, die die herrschende israelische Geschichtsschreibung für Mythenbildung halten. Unter anderem deshalb drohen Pappe auf Betreiben der Universitätsleitung von Haifa nach einem internen ‘Gerichtsverfahren’ die Entlassung und das Ende seiner akademischen Karriere.« Des Pudels Kern steckt in der Formulierung »unter anderem«. Der Rechtsanwalt der gegen Teddy Katz klagenden Veteranen der Alexandroni-Brigade Giora Erdinast berichtet nämlich von einer Einladung zu einer von Ilan Pappe organisierten Podiumsdiskussion an der Universität Haifa, zum Thema »Historiographie 1948«. Giora Erdinast schreibt:

»Erraten Sie wer alles den Standpunkt der jüdischen Seite vertreten hat? Es war Pappe, mit dessen Hilfe die ‘Magisterarbeit’ des Katz geschrieben wurde; Katz selbst, ein Student für den zweiten akademischen Grad (dessen Magister-Titel aberkannt wurde) und der nichts unerlaubtes in der Fälschung von Zeugenaussagen sieht und der uns bekannte Uri Adiv, der wegen seiner für Syrien geleisteten Spionagedienste rechtskräftig verurteilt wurde.« (41)

In dem Interview mit Max Böhnel erklärt Ilan Pappe die Geschichtsfälschung des Teddy Katz zur »Katz-Affäre«. In aller Welt hätten an die 2000 Akademiker in einer Petition gegen das Verfahren gegen ihn und für die Rückkehr zur akademischen Freiheit in Israel protestiert. Es erinnert an die Ansprüche der Recht

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