Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

26.11.2003   12:03   +Feedback

Der Schmock der Woche: Ernst-Otto Czempiel

Friedens und Konfliktforscher, Experte für Terrorund Widerstand

Wenn es irgendwo in der Welt gekracht hat und Leichenteile durch die Luft fliegen, dann muß man sich nur entspannt zurücklehnen, bis zehn zählen, und schon meldet sich irgendeine studierte Dumpfbacke zu Wort, um zu erklären, woher der Terror kommt und wie er beseitigt werden könnte.

Liest im Kaffeesatz: Ernst-Otto Czempiel
Liest im Kaffeesatz:Ernst-Otto Czempiel

Nach den Anschlägen auf die Synagogen in Istanbul war es Ernst-Otto Czempiel, der der »taz« ein Interview gab. Czempiel, inzwischen 76, ist ein emeritierter Professor für internationale Politik und Mitbegründer der in Hessen weltberühmten »Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung«, die Konflikte in aller Welt erforscht, nur nicht in Fulda und Umgebung.

Czempiel hat als Lieferant wohltemperierten Unsinns einen Ruf, den er von Zeit zu Zeit verteidigt, indem er immer weiteren Unsinn produziert.

Statt zu Hause zu sitzen, mit seinen Enkeln mit der Carrera-Bahn zu spielen und ab und zu einen Leserbrief an die Frankfurter Rundschau zu schreiben, lässt er sich gerne interviewen. So kann er in die Geschichte eingreifen, ohne seine bequemen Filzpantoffeln verlassen zu müssen. Dabei ist er ein echter Militanter. Er hat nicht nur die Parole erfunden: »Unterdrückte, net vergesse, der Klassenkampf tobt auch in Hesse!«, er hat auch ein Herz für Terroristen. Er spricht von »bewaffnetem Widerstand, für den sich nun einmal der Begriff ‘Terrorismus’ eingebürgert hat« und betont den Unterschied zwischen »Widerstand und Terrorismus«, wie ein Bankräuber, der »Umverteilung und Raub« nicht gleich bewertet sehen möchte.

»Selbstverständlich gibt es Terrorismus, etwa die Aum-Sekte in Japan oder der Oklahoma-Bomber. Was in Tschetschenien, Irak oder Palästina passiert, würde ich als Widerstand gegen eine als Besatzung empfundene fremde Macht bezeichnen…«

Das ist in der Tat eine saubere Unterscheidung, der man nicht mit dem kleinlichen Einwand begegnen sollte, auch der Oklahoma-Bomber s.A. habe die Präsenz einer Bundesbehörde als fremde Besatzung empfunden, weswegen er nach seinen eigenen Maßstäben doch eher Widerstandskämpfer als Terrorist war. Und was ist mit den Taliban? Waren sie Widerstandskämpfer gegen die Russen oder Terroristen gegen die eigene Bevölkerung? Eine Frage, der sich Meister Czempiel weise entzog, indem er sie gar nicht erst stellte.

Dafür kennt er die richtige Antwort, was »die Quellen des Terrorismus« sind und wie man sie »verstopfen« könnte. »Erstens der Nahostkonflikt, zweitens der Nahostkonflikt, drittens der Nahostkonflikt, viertens die westliche Dominanz, die sich auch durch die Ungleichverteilung des durch die Globalisierung erzeugten Reichtums äußert. Wenn der Nahostkonflikt gelöst wäre, wäre dem Terrorismus die wichtigste Quelle genommen, die für 8o% aller Anschläge verantwortlich ist.«

Eine interessante, um nicht zu sagen faszinierende Überlegung. Czempiel könnte mit gutem Beispiel vorangehen und der westlichen Dominanz die Brisanz nehmen, wenn er keine Kukident-Tabletten mehr kaufen und statt Klopapier nur noch Palmenblätter benutzen würde. Wie aber kommt er darauf, dass der Nahostkonflikt die Quelle für 8o% des Terrorismus ist? Handelt es sich um eine Allensbach-Umfrage, eine Schätzung der Unesco oder eine Eingebung aus dem Kaffeesatz? Sind es vielleicht nur 75%? Oder könnten es sogar 85% sein?

Egal, was Czempiel umtreibt, das ist erstens der Nahostkonflikt, zweitens der Nahostkonflikt, drittens der Nahostkonflikt und viertens die Globalisierung. Da gibt es noch ein bisschen Terrorismus in Indonesien, auf den Philippinen, auf Sri Lanka, in Algerien, Saudi-Arabien, Indien, Afghanistan und Pakistan, in Nordirland, im Sudan und im Baskenland, aber das sind nur die albernen 2o%, die übrig bleiben würden, »wenn der Nahostkonflikt gelöst wäre«. Sagt Ernst-Otto Czempiel, emeritierter Friedens- und Konfliktforscher und Schmock der Woche, zum ersten, zum zweiten und zum dritten!

HMB, Bln, 26.11.o3

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