Sie haben das Recht zu schweigen. Henryk M. Broders Sparring-Arena

Henryk M. Broder

11.04.2004   13:03   +Feedback

Lernen mit Iris

Das Letzte

Wenn man wissen will, wo die berühmte deutsch-jüdische Symbiose (Heine, Varnhagen, Seligmann) inzwischen angekommen ist, muss man nur die »Gala« vom 7. April lesen. Auf dem Titel wird eine Geschichte über Iris Berben versprochen: »Ihr mutiger Einsatz für den Frieden«, auf Seite 84 wird die »rasende Reporterin« interviewt, die für das ZDF in Israel unterwegs war.

»Mutiger Einsatz für den Frieden«: Iris Berben

Schon der Teaser zeigt den Wandel der Zeiten an. Kamen früher Leute, die sich »mutig« für den Frieden einsetzten, ins Gefängnis oder wurden in die Verbannung geschickt, bekommt Iris Berben heute für ihren mutigen Einsatz zuerst den »Bambi für Zivilcourage« und dann eine Geschichte in der »Gala«. Und kein Mensch sagt einem, worin der »Mut« und wo das Risiko beim Einsatz liegt. In der Wahl des Make-ups? Beim Verzicht auf den ADAC-Schutzbrief? Im Umgang mit der VISA-Karte?

Mutig ist vor allem die Gala-Redaktion, die Iris Berben vor dem Felsendom zeigt und dazu schreibt, dies wäre »eine Gebetsstätte von Christen und Moslems«. Das wird die Christen ebenso wie die Moslems überraschen, die bis jetzt nicht gemerkt haben, dass sie sich den Raum mit den Jüngern Jesu teilen müssen. Nun gut, wenn man Iris Berben bis nach Jerusalem begleiten will, muss die Redaktion woanders sparen, zum Beispiel an einem Fact-Checker, der die Bild-Unterzeilen überprüft.

Mutig sind auch die Fragen, die Iris Berben gestellt werden, z.B.: »Könnten Sie sich vorstellen, zum Judentum überzutreten?« Auf diese Frage, die ihr ebenso oft gestellt wird wie die, wie sie es schaffe, immer jünger auszusehen, hat Iris Berben vor einiger Zeit geantwortet, sie würde nur übertreten, wenn Israel existenziell bedroht wäre. Die Drohung hat funktioniert, bis heute haben es die Araber nicht gewagt, Israel zu überrennen. Der Gala gegenüber hat Frau Berben die Antwort ein wenig variiert: »Dazu ist mein Respekt zu groß. Mein angedachter Atheismus würde diese Frage immer mit Nein beantworten. Sollte es allerdings zu einer politischen Frage werden, würde ich übertreten.«

 

Arme Iris. Seit 35 Jahren reist sie nach Israel, seit 28 Jahren teilt sie Tisch und Bett mit einem Israeli - und weiß immer noch nicht, dass das Judentum eine Religionsgemeinschaft und kein Verein ist, dem man wie den Grünen oder der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit beitreten kann. Und niemand traut sich, ihr zu sagen, dass es für eine Konversion nur eine religiöse aber keine politische Option gibt, dass es ein Rabbiner sein muss, der den Übertritt regelt, und nicht Shimon Peres, ihr »guter Freund« in Tel Aviv. Und dass man als Wahl-Jude die religiösen Gebote beachten muss, die einem egal sein können, wenn man als Jude geboren wurde.

Da muss Frau Berben noch einiges lernen. Nicht nur, dass eine Konversion schwierig und langwierig ist, sondern dass man nicht Stuss reden sollte, nicht mal in der Gala. Was meint sie mit »angedachter Atheismus«? Dass sie daran denkt, eine Atheistin zu werden? Dass man Atheisten »andenken« kann, wie Gemüse »angaren«? Oder hat sie sich nur versprochen und wollte sagen, dass der Atheismus »angesagt« ist, wie ihr Lieblingslokal, das »Giacometti«, in Tel Aviv? Angedacht oder angesagt, Atheismus oder Hühnerbrühe - eines Tages wird auch Iris Berben den Unterschied begreifen. Und wenn sie dazu noch mal 35 Jahre braucht.

HMB, 11.4.o4

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